Zelot
Königssitzes in Tiberias aufgegeben. Als er zurückkam, sah das Galiläa, das er kannte – kleine Bauernhöfe und offene Felder, blühende Obstgärten und riesige Weiden voller Wildblumen –, eher wie die Provinz Judäa aus, die er gerade verlassen hatte: verstädtert, hellenisiert, ungerecht und strikt eingeteilt in jene, die etwas hatten, und jene, die nichts hatten.
Jesu erster Halt bei seiner Rückkehr nach Galiläa war sicher Nazaret, wo seine Familie noch immer lebte. Allerdings blieb er nicht lange in seinem Heimatdorf. Jesus hatte Nazaret als einfacher
tekton
(Zimmermann oder Bauarbeiter) verlassen, zurück kehrte er als jemand anderer. Seine Verwandlung riss einen tiefen Graben in seiner Gemeinschaft auf. Sie erkannten den Wanderprediger, der da plötzlich in ihrem Dorf auftauchte, offenbar kaum noch. Die Evangelien sagen, dass Jesu Mutter, Brüder und Schwestern empört waren über das, was die Leute über ihn sagten; sie versuchten verzweifelt, ihn zum Schweigen zu bringen und zurückzuhalten (Mk 3 , 21 ). Doch als sie zu Jesus kamen und ihn drängten, nach Haus zurückzukommen und wieder ins Familiengeschäft einzusteigen, weigerte er sich. «Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?», fragte Jesus und blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen. «Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.» (Mk 3 , 31 – 35 )
Diese Passage des Markus-Evangeliums wird oft so gedeutet, dass Jesu Familie seine Lehren ablehnte und seine Identität als Messias leugnete. Aber in Jesu Antwort an seine Familie findet sich kein Hinweis auf eine Feindseligkeit zwischen ihm und seinen Brüdern und Schwestern. Es gibt in den Evangelien auch keine Anzeichen dafür, dass Jesu Familie seine messianischen Ambitionen nicht gelten ließ. Im Gegenteil spielten Jesu Brüder durchaus bedeutsame Rollen in der von ihm gegründeten Bewegung. Sein Bruder Jakobus wurde nach der Kreuzigung sogar zum Anführer der Gemeinschaft in Jerusalem. Vielleicht akzeptierte Jesu Familie erst allmählich seine Lehren und seine außergewöhnlichen Aussagen. Aber die historischen Belege lassen vermuten, dass sie letztendlich alle an ihn und seine Mission glaubten.
Bei den Nachbarn Jesu allerdings war das anders. Laut Evangelium bekümmerte die anderen Nazoräer die Rückkehr von «Marias Sohn». Einige sprachen zwar gut über ihn und waren fasziniert von seinen Worten, die meisten aber verstörten seine Anwesenheit und seine Lehren tief. Jesus wurde schnell zum Außenseiter in der kleinen Gemeinde auf dem Hügel. Das Lukas-Evangelium behauptet, die Bewohner von Nazaret hätten ihn schließlich hinausgetrieben zu dem Abhang, auf dem das Dorf stand, und versucht, ihn von einem Felsen zu stürzen (Lk 4 , 14 – 30 ). Die Geschichte ist verdächtig; in Nazaret gibt es keinen Felsen, von dem man gestürzt werden könnte, sondern nur einen sanft abfallenden Hang. Tatsache bleibt aber, dass Jesus zumindest anfangs kaum Anhänger in Nazaret fand. «Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt», sagte er, bevor er das Heim seiner Kindheit verließ und in das nahe Fischerdorf Kafarnaum am Nordufer des Sees Gennesaret zog.
Kafarnaum spiegelte im Kleinen die unheilvollen Veränderungen wider, die Antipas’ Herrschaft mit sich brachte, und war damit ein idealer Ort für die ersten öffentlichen Auftritte Jesu. Das Dorf am See mit seinen etwa 1500 Bewohnern, meist Bauern und Fischern, war bekannt für sein mildes Klima und seinen fruchtbaren Boden. Es sollte die Operationsbasis Jesu im ganzen ersten Jahr seiner Mission in Galiläa werden. Der Ort zog sich weitläufig am Seeufer hin, in der kühlen, salzigen Luft gediehen die verschiedensten Pflanzen und Bäume. Büschel üppiger Ufervegetation wuchsen das ganze Jahr über am langen Küstensaum, während Haine aus Walnussbäumen und Kiefern, Feigen- und Olivenbäumen die niedrigen Hügel im Landesinneren überzogen. Das wahre Geschenk von Kafarnaum aber war der wunderbare See an sich, der von den unterschiedlichsten Fischarten wimmelte und die Bevölkerung seit Jahrhunderten ernährte und erhielt.
Als Jesus dort zu wirken begann, hatte sich Kafarnaums Wirtschaft allerdings schon fast völlig auf die Bedürfnisse der neuen Städte eingestellt, die ringsum entstanden, insbesondere auf die neue Hauptstadt Tiberias, die nur wenige Kilometer südlich lag. Die Nahrungsmittelproduktion war exponentiell
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