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Zelot

Zelot

Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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Blinden, den Tauben, den Stummen und den Gelähmten bedrängt. Als er ein paar Tage später schließlich wieder nach Kafarnaum zurückkehrte, war der Tumult vor Simons Haus so groß, dass einige Männer ein Loch ins Dach reißen mussten, um ihren gelähmten Freund hinabzulassen, damit Jesus ihn heilen konnte.
    Aus moderner Sicht wirken die Geschichten von Jesu Heilungen und Dämonenaustreibungen – gelinde gesagt – nicht gerade plausibel. Die Anerkenntnis seiner Wunder bildet den Hauptunterschied zwischen dem Historiker und dem Gläubigen, dem Wissenschaftler und dem Sinnsuchenden. Es erscheint daher wie ein Widerspruch in sich selbst, zu behaupten, dass es insgesamt mehr historisches Material gibt, das Jesu Wunder bestätigt, als über seine Geburt in Nazaret oder seinen Tod auf Golgota. Freilich gibt es keinerlei gesicherte Beweise für die eine oder andere Wundertat Jesu. Die Versuche von Wissenschaftlern, die Authentizität solcher Heilungen und Exorzismen zu beurteilen, haben sich als fruchtloses Unterfangen erwiesen. Es ist sinnlos zu behaupten, es sei
wahrscheinlicher
, dass Jesus einen Gelähmten geheilt habe, aber
weniger wahrscheinlich
, dass er Lazarus von den Toten auferweckt habe. Sämtliche Wundergeschichten Jesu wurden im Laufe der Zeit ausgeschmückt und mit christologischer Bedeutung versehen, sodass sie historisch keinesfalls stichhaltig sind. Ebenso sinnlos ist es, Jesu Wunder dadurch zu entmythologisieren, dass man sie auf rationaler Ebene zu erklären versucht: Jesus wandelte nur
scheinbar
auf dem Wasser, weil er sich den Wechsel von Ebbe und Flut zunutze machte; Jesus trieb nur
scheinbar
einen Dämonen aus, da der Besessene in Wahrheit ein Epileptiker war. Wie man die Wundertätigkeit Jesu in der modernen Welt betrachtet, ist irrelevant. Alles, was man weiß, ist, wie sie von den Menschen der damaligen Zeit gesehen wurde. Darin liegt der historische Beweis. In der Frühkirche gab es zwar erhitzte Debatten darüber, wer Jesus war (ein Rabbi? der Messias? der Sohn Gottes?) – seine Rolle als Exorzist und Wunderheiler wurde jedoch nie angezweifelt, weder von seinen Anhängern noch von seinen Gegnern.
    Alle Evangelien, darunter auch die nicht kanonisierten Schriften, bestätigen die Wundertaten Jesu. Dasselbe gilt für das älteste Quellenmaterial, die Logienquelle 
Q
. Beinahe ein Drittel des Markus-Evangeliums befasst sich ausschließlich mit Jesu Heilungen und Austreibungen. Die Frühkirche hielt nicht nur die lebhafte Erinnerung an Jesu Wunder aufrecht, sie gründete sich darauf. Jesu Apostel zeichneten sich dadurch aus, dass sie seine Wunderkräfte nachahmen konnten, Menschen in seinem Namen heilten und Dämonen austrieben. Selbst diejenigen, die Jesus nicht als Messias anerkannten, sahen in ihm trotzdem einen Mann, der wundersame Dinge vollbrachte. An keiner Stelle in den Evangelien leugnen die Feinde Jesu seine Wunder, wenngleich sie deren Motive und Quelle in Frage stellen. Noch bis weit ins 2 . und 3 . Jahrhundert hinein betrachteten die jüdischen Intellektuellen und heidnischen Philosophen, die Abhandlungen gegen das Christentum verfassten, Jesu Rolle als Exorzist und Wunderheiler als gegeben. Zwar reduzierten sie ihn auf eine Art umherziehenden Zauberkünstler, seine magischen Fähigkeiten indes zweifelten sie nicht an.
    Wie gesagt, war Jesus nicht der einzige Wunderheiler, der damals durch Palästina zog, Kranke heilte und Dämonen austrieb. Es war eine Welt, in der man noch an Magie glaubte, und Jesus war nur einer von unzähligen Wahrsagern, Traumdeutern, Zauberern und Medizinmännern, die durch Judäa und Galiläa wanderten. So gab es Honi den Kreiszieher, der so genannt wurde, weil er in einer Dürreperiode einen Kreis im Staub zog und sich hineinstellte. «Ich schwöre bei deinem großen Namen, dass ich mich nicht von hier fortbewegen werde, bis du nicht Gnade mit deinen Söhnen hast», rief Honi zu Gott empor. Prompt begann es zu regnen. Honis Enkeln Abba Hilkiah und Hanan dem Verborgenen schrieb man ebenfalls viele Wundertaten zu; beide lebten etwa zur selben Zeit in Galiläa wie Jesus. Ein anderer jüdischer Wunderheiler namens Rabbi Hanina ben Dosa, der nur wenige Kilometer von Jesu Zuhause in Nazaret in dem Dörfchen Arab residierte, besaß die Fähigkeit, Kranke gesundzubeten, und konnte auf Wunsch sogar sagen, wer leben und wer sterben würde. Der vielleicht berühmteste Wunderheiler seiner Zeit war Apollonius von Tyana. Dieser wird als «heiliger Mann»

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