Zelot
Zimmerleuten hineingeboren worden war. Andere hörten von der Macht seiner Worte und kamen aus Neugier, um seiner Predigt zu lauschen. An diesem Punkt beschränkte sich der Ruf Jesu auf die Ufer von Kafarnaum. Außerhalb dieses Fischerdorfes hatte noch niemand von dem charismatischen galiläischen Prediger gehört – nicht Antipas in Tiberias, nicht Kajaphas in Jerusalem.
Dann aber geschah etwas, das alles ändern sollte. Als Jesus einmal in der Synagoge von Kafarnaum über das Reich Gottes sprach, wurde er plötzlich von einem Mann unterbrochen, den die Evangelien als jemanden, «der von einem unreinen Geist besessen war», beschreiben.
«Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret?», schrie der Mann. «Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes.»
Jesus schnitt ihm sofort das Wort ab. «Schweig und verlass ihn!»
Plötzlich wand sich der Mann in Krämpfen. Ein lauter Schrei kam aus seinem Mund. Und dann war er still.
Alle in der Synagoge erschraken. «Was hat das zu bedeuten?», fragten die Menschen einander. «Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet. Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl.» (Mk 1 , 23 – 28 )
Nach diesem Zwischenfall war Jesus ganz sicher auch über die Grenzen Kafarnaums hinaus bekannt. Die Nachricht von dem Wanderprediger verbreitete sich in der ganzen Region, in ganz Galiläa. In jeder Stadt, jedem Dorf wurden die Menschenmengen immer größer, weil die Leute von überall her zusammenkamen, nicht so sehr, um seine Botschaft zu hören, sondern um die Wundertaten zu sehen, von denen sie gehört hatten. Denn während die Jünger in Jesus schließlich den verheißenen Messias und Erben des Davidsreiches erkannten, während die Römer ihn als einen falschen Prätendenten für das Amt des Königs der Juden sahen und während die Schriftgelehrten und Tempelpriester ihn bald als eine blasphemische Bedrohung ihrer Kontrolle des jüdischen Kultes wahrnahmen, war Jesus für die große Mehrheit der Juden in Palästina – jene, die er seinen eigenen Worten nach von der Unterdrückung befreien sollte – weder Messias noch König, sondern einfach wieder einmal ein reisender Wunderheiler und professioneller Exorzist, der mit seinen Tricks durch Galiläa zog.
Kapitel neun
Durch den Finger Gottes
Die Einwohner von Kafarnaum brauchten nicht lange, bis sie erkannten, wer da unter ihnen weilte. Jesus war bestimmt nicht der erste Exorzist, der an den Ufern des Sees Gennesaret wandelte. Im Palästina des 1 . Jahrhunderts war die Wundertätigkeit ein ebenso angesehener Beruf wie Zimmermann oder Maurer und wesentlich besser bezahlt. Insbesondere in Galiläa gab es haufenweise charismatische Phantasten, die behaupteten, gegen eine bestimmte Gebühr göttliche Kräfte wirken lassen zu können. Aus Sicht der Galiläer hob sich Jesus von all den anderen Exorzisten und Heilern hingegen dadurch ab, dass er seine Dienste gratis anbot. Jener erste Exorzismus in der Synagoge von Kafarnaum mochte die Priester und Ältesten vielleicht schockiert haben, die darin eine neue Art des Lehrens sahen – in den Evangelien steht, dass gleich im Anschluss eine Gruppe Schriftgelehrter über die Stadt hereinbrach, um mit eigenen Augen zu sehen, in welchem Maße dieser einfache Bauer ihre Autorität in Frage gestellt hatte. Für die Menschen von Kafarnaum kam es aber nicht so sehr darauf an, aus welcher Quelle Jesus seine Heilkräfte schöpfte. Ihnen ging es in erster Linie um die Kosten.
Bis zum Abend hatte die Nachricht vom Gratisheiler in der Stadt in ganz Kafarnaum die Runde gemacht. Jesus und seine Begleiter hatten im Hause der Brüder Simon und Andreas Unterschlupf gefunden, wo Simons Schwiegermutter mit Fieber im Bett lag. Als die beiden Brüder Jesus von ihrer Krankheit berichteten, ging er zu ihr, ergriff ihre Hand, und sofort war sie geheilt. Kurz darauf versammelte sich eine große Menschenmenge vor Simons Haus, darunter die Lahmen, die Aussätzigen und die von Dämonen Besessenen. Am nächsten Morgen war der Andrang Siecher und Kranker sogar noch größer.
Um den Massen zu entfliehen, schlug Jesus vor, Kafarnaum für einige Tage zu verlassen: «Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige.» (Mk 1 , 38 ) Doch die Nachricht von dem umherziehenden Wunderheiler hatte die benachbarten Städte längst erreicht. Wohin Jesus auch ging – Betsaida, Gerasa, Jericho –, wurde er von den
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