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Zelot

Zelot

Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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deren Besitz du übernimmst, hören auf Wolkendeuter und Orakelleser», sagt Gott zu den Israeliten. «Für dich aber hat der Herr, dein Gott, es anders bestimmt.» ( 5  Mos  18 , 14 ) Und doch lässt Gott seine Diener regelmäßig Akte der Zauberei vollbringen, um seine Macht zu beweisen. Zum Beispiel befiehlt Gott Mose und Aaron, vor dem Pharao «ein Wunder zu tun», indem sie einen Stab in eine Schlange verwandeln. Als jedoch die «Weisen» des Pharao denselben Trick versuchen, werden sie als «Beschwörungspriester» diffamiert ( 2  Mos  7 , 1 – 13 ; 9 , 8 – 12 ). Mit anderen Worten: Ein Stellvertreter Gottes – etwa Mose, Elija oder Elischa – vollbringt Wunder, ein «falscher Prophet», wie die Weisen des Pharao oder die Baal-Priester, betreibt Zauberei.
    Das erklärt, warum die Frühchristen so sehr bemüht waren, klarzustellen, dass Jesus kein Zauberer war. Im 2 . und 3 . Jahrhundert verfassten die jüdischen und römischen Gegner der Kirche zahlreiche Traktate, in denen Jesus der Zauberei beschuldigt wurde, mittels derer er sich die Menschen gefügig gemacht und sie dazu gebracht habe, ihm zu folgen. «Doch obgleich sie solche Werke sahen, behaupteten sie, es sei Zauberkunst», schrieb der christliche Apologet Justin der Märtyrer über seine Kritiker. «Denn sie wagten es, [Jesus] einen Zauberer und einen Verführer der Menschen zu nennen.»
    Man beachte, dass selbst diese Feinde der Kirche keineswegs leugneten, dass Jesus Wundertaten vollbrachte. Sie brandmarkten diese Taten lediglich als «Zauberei». Nichtsdestotrotz reagierten Kirchenführer, etwa im 3 . Jahrhundert der berühmte Theologe Origenes von Alexandria, erzürnt auf solche Bezichtigungen und wehrten sich gegen die «verleumderische und kindische Behauptung, [dass] Jesus ein Zauberer war» oder seine Wunder mit magischen Hilfsmitteln vollbracht habe. Wie der frühe Kirchenvater Irenäus, Bischof von Lyon, argumentierte, war es gerade dieser Nichtgebrauch jeglicher Hilfsmittel, der Jesu Wundertaten von denen der üblichen Zauberer unterschied. In den Worten von Irenäus vollbrachte Jesus seine Taten vielmehr «ohne die Macht von Beschwörungen, ohne den Saft von Kräutern und Gräsern, ohne die peinlich genaue Einhaltung von Opferritualen, Weihgüssen oder bestimmten Zeiten».
    Trotz Irenäus’ Protest weisen die in den Evangelien geschilderten Wundertaten Jesu doch eine auffallende Ähnlichkeit mit den Handlungen vergleichbarer Zauberer und Wunderheiler der damaligen Zeit auf, insbesondere im ältesten Evangelium, dem Markus-Evangelium. Deshalb wird Jesus auch von nicht wenigen modernen Bibelwissenschaftlern offen als Zauberer bezeichnet.
    Zweifellos bedient sich Jesus bei einigen seiner Wunder der Techniken eines Zauberers – Beschwörungen, Sprüche, Spucken, wiederholtes Anrufen. In der Dekapolis-Region brachte einmal eine Gruppe Dorfbewohner einen Taubstummen zu Jesus und bat ihn um Hilfe. Jesus nahm den Mann beiseite und entfernte sich mit ihm von der Menge. Dann nahm er eine bizarre Folge ritualisierter Handlungen vor, die direkt aus dem Handbuch eines antiken Zauberers hätten stammen können: Jesus «legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu dem Taubstummen: Effata!, das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden.» (Mk  7 , 31 – 35 )
    In Betsaida nahm Jesus an einem Blinden eine ganz ähnliche Handlung vor. Er führte den Mann von der Menschenmenge weg, «bestrich seine Augen mit Speichel, legte ihm die Hände auf und fragte ihn: Siehst du etwas? Der Mann blickte auf und sagte: Ich sehe Menschen; denn ich sehe etwas, das wie Bäume aussieht und umhergeht.» Jesus wiederholte das Ritual. Diesmal wirkte das Wunder, und der Mann erlangte seine volle Sehfähigkeit zurück (Mk  8 , 22 – 26 ).
    Im Markus-Evangelium findet sich eine noch viel kuriosere Geschichte über eine Frau, die zwölf Jahre lang an Blutungen gelitten hatte. Sie war von zahlreichen Ärzten behandelt worden und hatte alles Geld ausgegeben, doch an ihrem Zustand hatte sich nichts verbessert. Da sie von Jesus gehört hatte, trat sie in einer Menschenmenge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand. Sofort hörten die Blutungen auf und sie spürte, dass sie geheilt war. Bemerkenswert an dieser Geschichte ist, dass Markus zufolge Jesus spürte, «dass eine Kraft

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