Zelot
von ihm ausströmte». Er hielt inne und rief: «Wer hat mein Gewand berührt?» Die Frau fiel vor ihm nieder und gestand die Wahrheit. Jesus entgegnete: «Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen.» (Mk 5 , 24 – 34 )
Markus’ Bericht scheint zu unterstellen, dass Jesus ein passives Medium war, durch das Heilkräfte wie elektrischer Strom flossen. Das entspricht den Beschreibungen magischer Vorgänge in den Texten der damaligen Zeit. Auf jeden Fall ist es bemerkenswert, dass in Matthäus’ Nacherzählung derselben Geschichte 20 Jahre später der magische Charakter von Markus’ früherer Version fehlt. Bei Matthäus dreht sich Jesus um, als die Frau ihn berührt; er sieht sie und spricht sie an, und erst dann heilt er aktiv ihre Krankheit (Mt 9 , 20 – 22 ).
Trotz der magischen Elemente, die sich bei einigen seiner Wunder finden, ist es doch eine Tatsache, dass Jesus an keiner Stelle in den Evangelien tatsächlich der Zauberei bezichtigt wird. Für seine Feinde wäre es ein Leichtes gewesen, diese Anschuldigung vorzubringen und damit eine sofortige Verurteilung zum Tode herbeizuführen. Als Jesus vor den römischen und jüdischen Behörden stand, musste er sich wegen allerlei Vorwürfen verantworten – Volksverhetzung, Blasphemie, Verstoß gegen die Gesetze Mose, Tributverweigerung, Bedrohung des Tempels. Zauberei indes war nicht darunter.
Es ist außerdem bemerkenswert, dass Jesus nie eine Gebühr für seine Dienste erhob. Zauberer, Heiler, Wunderheiler und Exorzisten waren, wie schon erwähnt, im 1 . Jahrhundert in Palästina sachkundige und ziemlich gut bezahlte Berufsgruppen. Der Exorzist Eleasar wurde sogar einmal gebeten, seine Künste keinem Geringeren als dem Kaiser Vespasian angedeihen zu lassen. In der Apostelgeschichte bietet ein allgemein als Simon Magus bekannter Zauberer den Aposteln Geld an, damit diese ihn in der Kunst der Heilung unter Anrufung des Heiligen Geistes unterweisen. «Gebt auch mir diese Macht, damit jeder, dem ich die Hände auflege, den Heiligen Geist empfängt», sagt er zu Petrus und Johannes. Doch Petrus entgegnet: «Dein Silber fahre mit dir ins Verderben, wenn du meinst, die Gabe Gottes lasse sich für Geld kaufen.» (Apg 8 , 9 – 24 )
Petrus’ Antwort mag extrem erscheinen. Doch befolgt er lediglich die Anordnung seines Messias, der seinen Jüngern aufgetragen hat: «Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!
Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.
» (Mt 10 , 8 ; Lk 9 , 1 – 2 )
Letztendlich mag die Diskussion darum, ob Jesus nun ein Zauberer oder ein Wunderheiler war, fruchtlos sein. Magie und Wunder stellt man sich im antiken Palästina am besten als zwei Seiten derselben Medaille vor. Die Kirchenväter hatten jedoch in einem Punkt recht. Jesu Wirken, wie es in den Evangelien geschildert ist, hebt sich von dem anderer Wundertätiger deutlich ab. Nicht nur, dass Jesu Dienste gratis sind oder bisweilen auch ohne die üblichen Methoden eines Zauberers auskommen – Jesu Wunder dienen einem höheren Zweck, verfolgen eine pädagogische Strategie. Sie sind ein Mittel, um den Juden eine ganz bestimmte Botschaft zu überbringen.
Ein Hinweis darauf, was das für eine Botschaft sein könnte, ergibt sich aus einem interessanten Abschnitt in der Logienquelle
Q
. Wie in den Evangelien des Matthäus und Lukas zu lesen ist, schmachtet Johannes der Täufer in einer Gefängniszelle der Festung von Machaerus und wartet auf seine Hinrichtung, als er von den Wundertaten erfährt, die einer seiner ehemaligen Jünger in Galiläa vollbringt. Durch diese Berichte neugierig geworden, schickt Johannes seine Jünger zu Jesus, um ihn zu fragen, ob er derjenige sei, «der kommen soll». Jesus antwortet ihnen: «Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet.» (Mt 11 , 1 – 6 ; Lk 7 , 18 – 23 )
Jesu Worte nehmen bewusst Bezug auf den Propheten Jesaja, der vor langer Zeit einen Tag vorhergesagt hatte, an dem [das Volk] Israel erlöst und Jerusalem erneuert werde, einen Tag, an dem Gottes Königreich auf Erden errichtet werden solle. «Dann werden die Augen der Blinden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf», hatte der Prophet versprochen. «Deine Toten werden leben, die Leichen stehen
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