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Zelot

Zelot

Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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wieder auf.» (Jes  35 , 5 – 6 ; 26 , 19 )
    Durch die Verbindung seiner Wunder mit der Prophezeiung des Jesaja macht Jesus unmissverständlich klar, dass das Jahr von Gottes Gnade, der Tag von Gottes Rache, vorhergesagt von den Propheten, nun endlich gekommen ist. Die Herrschaft Gottes ist angebrochen. «Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen» (Lk  11 , 20 ; Mt  12 , 28 ). Jesu Wunder sind somit die Manifestation von Gottes Reich auf Erden. Es ist der Finger Gottes, der die Blinden, Tauben und Stummen heilt – der Finger Gottes, der die Dämonen austreibt. Jesu Aufgabe ist es lediglich, als Vertreter Gottes auf Erden diesen Finger zu führen.
    Hätte Gott nicht nur schon Vertreter auf Erden gehabt! Es waren diese in feine weiße Gewänder gekleideten Männer, die im Tempel herumliefen und über die Berge von Weihrauch und unablässigen Opfer wachten. Die Hauptfunktion des priesterlichen Adels war es jedoch nicht, den Tempelritualen vorzustehen, sondern den Zugang zum jüdischen Kult zu kontrollieren. Der eigentliche Zweck der Tempelanlage in Jerusalem war es, das priesterliche Monopol darüber zu erhalten, wem und bis zu welchem Grad der Zutritt zur Gegenwart Gottes gestattet wurde.
    Den Kranken, den Lahmen, den Aussätzigen, den «von Dämonen Besessenen», den menstruierenden Frauen, Menschen mit körperlichen Missbildungen und Frauen kurz nach einer Geburt, all diesen Menschen war der Zutritt zum Tempel und die Teilnahme am jüdischen Kult erst gestattet, wenn sie eine Reinigung nach den priesterlichen Regeln vollzogen hatten. Mit jedem gereinigten Aussätzigen, jedem geheilten Lahmen, jedem ausgetriebenen Dämon stellte Jesus nicht nur den priesterlichen Kodex in Frage, sondern die eigentliche Daseinsberechtigung der Priesterschaft. Als ihn, wie im Matthäus-Evangelium berichtet wird, ein Leprakranker bittet, ihn zu heilen, berührt Jesus ihn und befreit ihn von seinem Leiden. Doch damit nicht genug. Er trägt dem Mann auf: «Geh, zeig dich dem Priester und bring das Opfer dar, das Mose angeordnet hat. Das soll für sie ein Beweis (deiner Heilung) sein.» (Mt  8 , 2 – 4 )
    Jesus macht einen Witz. Seine Aufforderung ist ein Scherz, ein berechnender Seitenhieb auf den priesterlichen Kodex. Schließlich ist der Aussätzige nicht einfach nur krank. Er ist unrein. Er ist zeremoniell unrein und unwert, den Tempel Gottes zu betreten. Seine Krankheit beschmutzt die gesamte Gemeinde. Dem Gesetz Mose zufolge, auf das sich Jesus bezieht, war für einen Aussätzigen die einzige Möglichkeit der Reinigung ein umständliches und kostspieliges Ritual, das ausschließlich von einem Priester vollzogen werden konnte. Erst musste er dem Priester zwei reine Vögel bringen, dazu etwas Zedernholz, purpurfarbenes Garn und Eisenkraut. Einer der Vögel musste sofort geopfert werden, dann wurden der lebende Vogel, das purpurfarbene Garn und das Eisenkraut in dessen Blut getaucht. Daraufhin wurde der Aussätzige mit dem Blut besprengt und der lebende Vogel freigelassen. Sieben Tage später musste der Aussätzige seine gesamte Körperbehaarung scheren und in Wasser baden. Am achten Tag musste er dem Priester zwei makellose männliche Lämmer, ein ebenfalls makelloses weibliches Lamm sowie ein Getreideopfer von bestem Mehl vermengt mit Öl sowie etwas Öl bringen. Diese Gaben machte der Priester zu einem Sünd- und Brandopfer für den Herrn. Das Blut des Schlachtopfers schmierte er dem Aussätzigen auf das rechte Ohrläppchen, den rechten Daumen und auf den großen Zeh des rechten Fußes. Dann besprengte er den Aussätzigen siebenmal mit dem Öl. Erst, wenn all das vollbracht war, galt der Aussätzige als befreit von der Sünde und der Schuld, die zu seiner Krankheit geführt hatten; erst dann wurde er in der Gemeinde Gottes wieder aufgenommen ( 3  Mos  14 ).
    Offensichtlich weist Jesus den Aussätzigen, den er gerade geheilt hat, nicht an, zwei Vögel, zwei Widder, ein Schaf, ein Stück Zedernholz, eine Spule purpurnes Garn, einen Zweig Eisenkraut, einen Scheffel Mehl und einen Krug Öl zu kaufen und das Ganze als Opfer für den Herrn dem Priester zu geben. Vielmehr trägt er dem Aussätzigen auf, sich dem Priester
als bereits gereinigt
zu präsentieren. Das ist nicht nur ein direkter Angriff auf die Autorität des Priesters, sondern auf den Tempel selbst. Jesus hat den Aussätzigen nicht nur geheilt, sondern auch gereinigt, sodass er wieder würdig

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