Zelot
ist, den Tempel als vollwertiger Israelit zu betreten. Das Ganze machte er umsonst, als Geschenk Gottes – ohne Zehntsteuer, ohne Opfer –. und nahm damit für sich die ausschließlich der Priesterschaft vorbehaltene Macht in Anspruch, einen Mann für würdig zu befinden, sich in die Gegenwart Gottes zu begeben.
Ein derart dreister Angriff auf die Legitimität des Tempels konnte abgetan und belächelt werden, solange sich Jesus irgendwo im galiläischen Hinterland herumtrieb. Dann jedoch verlassen Jesus und seine Jünger ihr Quartier in Kafarnaum und machen sich langsam nach Jerusalem auf; unterwegs heilen sie Kranke und treiben Dämonen aus. In diesem Augenblick wird der Konflikt mit der priesterlichen Obrigkeit und dem römischen Imperium, das sie unterstützt, unvermeidlich. Bald ist es der Obrigkeit in Jerusalem nicht mehr möglich, diesen eifrigen Exorzisten und Wunderheiler zu ignorieren. Je näher er der Heiligen Stadt kommt, desto dringender wird die Notwendigkeit, ihn zum Schweigen zu bringen, denn man fürchtet nicht nur Jesu Wundertaten, sondern vor allem die einfache und doch unglaublich gefährliche Botschaft, die durch sie vermittelt wird: Das Königreich Gottes ist nahe.
Kapitel zehn
Dein Reich komme
«Womit soll ich das Reich Gottes vergleichen?», fragt Jesus (Lk 13 , 20 ). «Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der die Hochzeit seines Sohnes vorbereitet.» (Mt 22 , 2 ) In alle vier Winkel seines Reiches entsendet er seine Diener, um seine geschätzten Gäste zu dem frohen Ereignis einzuladen. «Mein Mahl ist fertig, die Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet, alles ist bereit. Kommt zur Hochzeit!» Die Diener gehen hin und verbreiten die Kunde des Königs. Doch die verehrten Gäste schlagen die Einladung einer nach dem anderen aus. «Ich habe einen Acker gekauft und muss jetzt gehen und ihn besichtigen», sagt einer. «Bitte, entschuldige mich!» Ein anderer sagt: «Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft und bin auf dem Weg, sie mir genauer anzusehen. Bitte, entschuldige mich!» Und ein Dritter: «Ich habe geheiratet und kann deshalb nicht kommen.» Als die Diener zurückkehren, teilen sie dem König mit, dass keiner seiner Gäste die Einladung angenommen hat und einige der Geladenen nicht nur die Teilnahme an der Feier abgelehnt, sondern obendrein die Diener des Königs ergriffen, misshandelt und sogar getötet haben. Voller Zorn befiehlt der König seinen Dienern, die Straßen und Gassen des Königreichs zu durchstreifen und alle zu dem Fest zu holen, die sie finden können – Junge und Alte, Arme und Schwache, die Lahmen, die Krüppel, die Blinden und Ausgestoßenen.
Die Diener folgen der Anweisung, und das Fest beginnt. Als die Feierlichkeiten in vollem Gange sind, bemerkt der König einen Gast, der nicht eingeladen war; er trägt kein Hochzeitsgewand. «Mein Freund, wie konntest du hier ohne Hochzeitsgewand erscheinen?», fragt der König den Fremden. Darauf weiß der Mann nichts zu sagen. «Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus in die äußerste Finsternis!», befiehlt der König. «Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen. Denn viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt.» (Mt 22 , 1 – 14 ; Lk 14 , 16 – 24 )
Was die Gäste betrifft, die sich weigerten, bei der Hochzeit zu erscheinen, sowie diejenigen, die seine Diener ergriffen und töteten – der König hetzt seine Soldaten auf sie, lässt sie aus ihren Häusern vertreiben, wie Schafe abschlachten und ihre Städte niederbrennen. «Wer Ohren hat zum Hören, der höre!» (Lk 14 , 35 )
Hier kann es keinen Zweifel geben: Das zentrale Thema und die immer wiederkehrende Botschaft von Jesu kurzem, dreijährigem Wirken war die Verheißung des Königreichs Gottes. Praktisch alles, was Jesus in den Evangelien sagte oder tat, dient ausschließlich dazu, das Kommen dieses Königreichs zu verkünden. Es war das Allererste, was er predigte, nachdem er sich von Johannes dem Täufer getrennt hatte: «Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe!» (Mk 1 , 15 ) Es ist der Kern des Vaterunsers, das Johannes Jesus und dieser wiederum seinen Jüngern lehrte: «Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme …» (Mt 6 , 9 – 13 ; Lk 11 , 1 – 2 ) Es war das, wonach die Anhänger Jesu vor allem anderen streben sollten: «Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben» (Mt 6 , 33 ; Lk 12 , 31
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