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Zelot

Zelot

Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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Kochba – darin zugestimmt, dass Gewalt notwendig war, um die Herrschaft Gottes auf Erden zu errichten? Folgte er der zelotischen Doktrin, dass das Land gewaltsam von fremden Elementen gesäubert werden müsse, wie Gott es im Schrifttum gefordert habe?
    Es gibt vielleicht keine wichtigere Frage als diese, will man versuchen, den historischen Jesus vom christlichen Christus zu trennen. Die allgemeine Vorstellung von Jesus als unumstößlichem Friedensstifter, der seine Feinde liebte und die andere Wange hinhielt, fußt großteils auf seiner Darstellung als unpolitischer Priester, der sich für die politisch turbulente Welt, in der er lebte, weder interessierte, noch sie überhaupt wahrnahm. Dieses Bild von Jesus hat sich längst als reines Phantasieprodukt erwiesen. Der historische Jesus nahm hinsichtlich der Gewalt eine weitaus komplexere Haltung ein. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er sich selbst jemals offen für eine Anwendung von Gewalt ausgesprochen hat. Doch war er ganz bestimmt kein Pazifist. «Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.» (Mt  10 , 34 ; Lk  12 , 51 )
    Nach dem Jüdischen Aufstand und der Zerstörung Jerusalems versuchte die frühchristliche Kirche verzweifelt, Jesus von jenem eifrigen Nationalismus fernzuhalten, der den schrecklichen Krieg herbeigeführt hatte. Als Folge davon wurden Aussagen wie «Liebe deine Feinde» und «Halte die andere Wange hin» von ihrem jüdischen Kontext gesäubert und zu abstrakten ethischen Prinzipien umgewandelt, die alle Menschen befolgen konnten, ungeachtet ihrer ethischen, kulturellen oder religiösen Überzeugungen.
    Will man jedoch herausfinden, was Jesus selbst wirklich glaubte, darf man eine grundlegende Tatsache niemals aus den Augen verlieren:
Jesus von Nazaret war in erster Linie Jude
. Als Jude sorgte sich Jesus ausschließlich um das Schicksal seiner jüdischen Mitmenschen. Israel war alles, was ihn interessierte. Er beharrte darauf, seine Mission gelte nur «den verlorenen Schafen des Hauses Israel» (Mt  15 , 24 ), und wies seine Jünger an, die Frohe Botschaft ausschließlich ihren jüdischen Brüdern und Schwestern zu überbringen: «Geht nicht zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samariter, sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.» (Mt  10 , 5 – 6 ) Wenn er selbst Heiden begegnete, blieb er auf Distanz und heilte sie oft nur widerwillig. Wie er der Frau aus Syrophönizien erklärte, die ihn um Hilfe bat für ihre Tochter: «Lasst zuerst die Kinder [womit Jesus Israel meinte] satt werden; denn es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen [womit er Heiden wie sie meint].» (Mk  7 , 27 )
    Was die Grundfesten des jüdischen Glaubens betrifft – also das Gesetz Mose –, so ist Jesus überzeugt, dass seine Mission nicht der Abschaffung, sondern der Durchsetzung dieses Gesetzes dient (Mt  5 , 17 ). Dieses Gesetz unterschied zwischen Beziehungen
unter Juden
und Beziehungen
zwischen Juden und Fremden
. Das oft zitierte Gebot «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» galt ursprünglich ausschließlich im Kontext interner Beziehungen innerhalb Israels. Die betreffende Bibelstelle lautet: «
An den Kindern deines Volkes
sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.» ( 3  Mos  19 , 18 ) Für die Israeliten wie auch für die Gemeinde Jesu im Palästina des 1 . Jahrhunderts stand «Nächster» gleichbedeutend für den jüdischen Mitmenschen. Hinsichtlich der Behandlung Fremder und Außenstehender, Unterdrücker und Besatzer könnte die Tora indes nicht eindeutiger sein: «Wenn ich die Einwohner des Landes in deine Hand gebe und du sie vertreibst, dann sollst du keinen Bund mit ihnen und ihren Göttern schließen. Sie sollen nicht in deinem Land bleiben.» ( 2  Mos  23 , 31 – 33 )
    Für diejenigen, die Jesus als den eingeborenen Sohn Gottes betrachten, spielt sein Judentum keine Rolle. Wenn Christus göttlich ist, steht er über allen Gesetzen und Bräuchen. Für diejenigen aber, die den einfachen jüdischen Bauern und den charismatischen Prediger sehen wollen, der vor 2000  Jahren in Palästina lebte, gibt es nichts Wichtigeres als diese eine unleugbare Wahrheit: Derselbe Gott, der in der Bibel als «Krieger» bezeichnet wird ( 2  Mos  15 , 3 ), der Gott, der wiederholt das Hinschlachten aller fremden Männer, Frauen und

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