Zelot
) – denn nur, wenn sie für das Reich Gottes allem und jedem entsagten, durften sie darauf hoffen, dort Einlass zu erhalten (Mt 10 , 37 – 39 ; Lk 14 , 25 – 27 ).
Jesus sprach so häufig und so abstrakt über das Königreich Gottes, dass es schwer zu sagen ist, ob er selbst eine einheitliche Vorstellung davon hatte. Der Ausdruck taucht außerhalb der Evangelien kaum auf, ebenso wenig wie sein Matthäus’sches Äquivalent «Himmelreich». Obwohl Gott in zahlreichen Passagen der
Biblia Hebraica
als König und alleiniger Herrscher beschrieben wird, erscheint die exakte Bezeichnung «Königreich Gottes» nur in dem apokryphen Text
Die Weisheit Salomos
( 10 , 10 ). Dort stellt man sich Gottes Reich als physisch im Himmel gelegen vor, als Ort, wo Gottes Thron steht, wo das Engelsgefolge jeder seiner Weisungen geflissentlich nachkommt und wo sein Wille stets zuverlässig befolgt wird.
Doch das Königreich Gottes in der Lehre Jesu ist kein himmlisches Königreich, das auf einer kosmischen Ebene existiert. Diejenigen, die etwas anderes behaupten, verweisen meist auf eine einzige ungesicherte Passage im Johannes-Evangelium, wo Jesus angeblich zu Pilatus sagt: «Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.» (Joh 18 , 36 ) Dies ist nicht nur die einzige Stelle in den Evangelien, wo Jesus solches behauptet, sondern obendrein eine ungenaue Übersetzung aus dem ursprünglich griechischen Text. Die Stelle
ouk estin ek tou kosmou
lässt sich vielleicht besser übersetzen mit «nicht Teil dieser Ordnung / dieses Systems [dieser Regierung]». Selbst wenn man die Historizität dieser Stelle anerkennt (was wenige Wissenschaftler tun), behauptete Jesus damit nicht, das Königreich Gottes sei unirdisch; er sagte nur, dass es anders als jedes Königreich und jede Regierung auf der Welt sei.
Jesus stellte das Königreich Gottes auch nicht als entrücktes künftiges Reich dar, das am Ende der Zeiten errichtet würde. Als Jesus sagte, «Das Reich Gottes ist nahe» (Mk 1 , 15 ) oder «Das Reich Gottes ist [schon] mitten unter euch» (Lk 17 , 21 ), meinte er damit Gottes rettendes Wirken im damaligen Zeitalter, seiner eigenen Zeit. Es stimmt, dass Jesus von Kriegen und Aufständen sprach, von Erdbeben und Hungersnöten, falschen Messiassen und Propheten, die die Errichtung von Gottes Königreich auf Erden vorhersagen würden (Mk 13 , 5 – 37 ). Damit beschwor er jedoch keine künftige Apokalypse, sondern lieferte im Grunde nur eine ziemlich genaue Beschreibung der Ära, in der er lebte: eine Ära der Kriege, Hungersnöte und falschen Messiasse. Tatsächlich rechnete Jesus offenbar damit, dass das Reich Gottes jeden Augenblick errichtet würde: «Amen, ich sage euch: Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht erleiden, bis sie gesehen haben, dass das Reich Gottes in [seiner ganzen] Macht gekommen ist.» (Mk 9 , 1 )
Wenn das Königreich Gottes weder unbedingt himmlisch noch endzeitlich ist, dann muss das, was Jesus verkündete, ein dingliches und gegenwärtiges Reich gewesen sein: ein
echtes Königreich
mit einem
echten König
, das auf Erden errichtet werden sollte. Zumindest verstanden ihn die Juden sicherlich so. Jesu besondere Vorstellung vom Königreich Gottes war vielleicht einzigartig und etwas speziell, doch die Bezugspunkte waren seinen Zuhörern keinesfalls fremd.
Jesus wiederholte lediglich, was die Zeloten schon seit Jahren predigten. Vereinfacht gesagt, war das Königreich Gottes die Kurzformel für den Glauben an Gott als den alleinigen Herrscher, den einzigen und wahren König nicht nur Israels, sondern der ganzen Welt. «Dein, Herr, sind Größe und Kraft, Ruhm und Glanz und Hoheit; dein ist alles im Himmel und auf Erden. Herr, dein ist das Königtum. Du erhebst dich als Haupt über alles.» ( 1 Chr 29 , 11 – 12 ; siehe auch 4 Mos 23 , 21 ; 5 Mos 33 , 5 ) Tatsächlich steckte der Gedanke einer alleinigen Herrschaft Gottes hinter allen Botschaften der großen alten Propheten. Elija, Elischa, Amos, Jesaja, Jeremia – diese Männer schworen, Gott werde die Juden von der Knechtschaft erlösen und Israel von der Fremdherrschaft befreien, wenn sie sich nur weigerten, einem irdischen Herrscher zu dienen oder sich einem anderen König außer dem alleinigen und einzigen Herrscher des Universums zu beugen. Derselbe Glaube bildete die Grundfesten so gut wie aller jüdischen Widerstandsbewegungen, vom Makkabäeraufstand, durch den im Jahre 164 v. Chr. das Joch der Seleukidenherrschaft
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