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Zelot

Zelot

Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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Kinder forderte, die das Land der Juden besetzt hielten, der blutbefleckte Gott von Abraham, Mose, Jakob und Josua (Jes  63 , 3 ), der Gott, der «das Haupt seiner Feinde zerschmettert», der seinen Kriegern befiehlt, «Dein Fuß wird baden im Blut, die Zunge deiner Hunde ihren Anteil bekommen an den Feinden» (Ps  68 , 21 – 23 ) – das ist der
einzige
Gott, den Jesus kannte und der
eine
Gott, den er verehrte.
    Es besteht kein Grund zur Annahme, dass Jesu Verständnis von seinen Nächsten und Feinden enger oder weiter gefasst war als das eines beliebigen anderen Juden der damaligen Zeit. Seine Forderungen «Liebt eure Feinde» und «Haltet auch die andere Wange hin» müssen also dahingehend interpretiert werden, dass sie ausschließlich an seine jüdischen Mitmenschen gerichtet waren und als Vorbild für das friedliche Zusammenleben ausschließlich innerhalb der jüdischen Gemeinde dienen sollten. Diese Gebote haben nichts damit zu tun, wie Fremde und Außenstehende zu behandeln sind, insbesondere jene brutalen «Plünderer der Welt», die Gottes Land besetzt hielten und damit direkt gegen das Gesetz Mose verstießen, zu dessen Erfüllung sich Jesus berufen sah.
Sie sollen nicht in deinem Land bleiben
.
    Das Gebot, seine Feinde zu lieben, und die Aufforderung, die andere Wange hinzuhalten, reichen jedenfalls nicht, um daraus einen Aufruf zu Gewaltverzicht oder gar zu passivem Widerstand herzuleiten. Jesus war kein Dummkopf. Er begriff, was auch alle anderen begriffen, die die Rolle des Messias für sich in Anspruch nahmen, nämlich dass das Himmelreich nur gewaltsam kommen würde: «Seit den Tagen Johannes’ des Täufers bis heute wird dem Himmelreich Gewalt angetan; die Gewalttätigen reißen es an sich.» (Mt  11 , 12 ; Lk  16 , 16 )
    Zur Vorbereitung auf die unausweichlichen Folgen einer Errichtung des Königreichs Gottes auf Erden wählte Jesus seine zwölf Apostel sorgfältig aus. Die Juden in Jesu Zeit glaubten, dass ein Tag kommen würde, an dem die zwölf Stämme Israels wiedererstehen und abermals eine einzige, vereinte Nation bilden würden. Die Propheten hatten es vorhergesagt: «Denn seht, es werden Tage kommen – Spruch des Herrn –, da wende ich das Geschick meines Volkes Israel und Juda, spricht der Herr. Ich führe sie zurück in das Land, das ich ihren Vätern zum Besitz gegeben habe.» (Jer  30 , 3 ) Mit der Ernennung der Zwölf und dem Versprechen, sie würden «auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten» (Mt  19 , 28 ; Lk  22 , 28 – 30 ), signalisierte Jesus, dass der Tag, auf den sie gewartet hatten, an dem der «Herr der Heere» das «Joch auf dem Nacken [der Juden] zerbrechen» und ihre «Stricke zerreißen» würde (Jer  30 , 8 ), nun gekommen sei. Die Wiederherstellung und Erneuerung
der wahren Nation Israel
, die Johannes der Täufer gepredigt hatte, stand endlich bevor. Das Königreich Gottes war gekommen.
    Das war eine gewagte und provokative Botschaft, hatte der Prophet Jesaja doch gewarnt, Gott werde «seine Hand von neuem erheben, um den übrig gebliebenen Rest seines Volkes zurückzugewinnen», und zwar zu einem einzigen Zweck:
Krieg
. Das neue, wiedererstarkte Israel werde, in den Worten des Propheten, «für die Völker ein Zeichen» aufstellen; «sie stoßen nach Westen vor wie im Flug, den Philistern in die Flanke; vereint plündern sie die Völker des Ostens aus». Israel wird das Land zurückerobern, das ihm von Gott gegeben wurde, und es für alle Zeiten vom faulen Gestank der Okkupation befreien (Jes  11 , 11 – 16 ).
    Die Berufung der Zwölf ist vielleicht noch keine Mobilmachung, aber doch eine Anerkenntnis der Unvermeidbarkeit des Krieges, weshalb Jesus sie auch ausdrücklich mahnt, was auf sie zukommen wird: «Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.» (Mk  8 , 34 ) Das ist nicht der Ausdruck von Selbstverleugnung, als welcher dieses Zitat oft gedeutet worden ist. Das Kreuz ist die Strafe für Volksverhetzung, kein Symbol der Selbstaufgabe. Jesus warnte die Zwölf, dass ihr Status als Verkörperung der zwölf Stämme Israels, aus denen die Nation Israel neu erwachsen und das Joch der Unterdrückung abschütteln sollte, von Rom zu Recht als Verrat verstanden und daher unweigerlich zur Kreuzigung führen würde. Es war ein Zugeständnis, das Jesus regelmäßig auch für sich machte. Immer wieder erinnerte er seine Jünger daran, was ihm bevorstand; Abweisung, Verhaftung, Folter

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