Zementfasern - Roman
Morgensonne bewahrte. Sie kamen zu einem kleinen Feld, wo Dutzende Wohnwagen standen, sie gehörten den Betreibern der Karussells oder vielleicht einfachen Nomaden. Mimi stellte sich keine Fragen, der Mann ohne Namen war beim Musizieren ebenso seelenvoll und im Einklang mit sich selbst, wie reizlos und plump ohne sein Instrument, das er jetzt auf dem Rücken trug wie ein Schneckenhaus.
»Wollten wir nicht etwas trinken?«, fragte Mimi.
»Bei mir, bei mir.«
Sie stiegen in einen Wohnwagen, Mimi wusste, dass sie im Begriff war, etwas Unbesonnenes zu tun, doch die Lust, die sie beim Spiel der Ziehharmonika empfunden hatte, verhexte sie noch immer. Sie musste ihr folgen.
In dem dunklen, erstickend engen Wohnwagen spürte Mimi die Gegenwart anderer Menschen. Der Mann senkte die Stimme, sein bis jetzt grober Ton wurde schlagartig sanft. Eine falsche Sanftheit, aber doch Sanftheit, die Mimi als ein Zeichen von Freundlichkeit ihr gegenüber erkannte.
Die Atemzüge, die man in dem winzigen, stickigen Gehäuse hörte, stammten von zwei Kindern.
»Ich habe zwei Söhne«, sagte der Fremde ohne Namen. Er nahm ein Bier aus einem Eimer voll Wasser, reichte es Mimi und bedeutete ihr dann, aus dem Wohnwagen zu steigen, indem er mit beiden Händen gegen ihre Seite drückte.
Sie setzten sich auf die Stufen vor dem kleinen Lager.
»Hast du auch Kinder?«
»Eins.«
»Ein kleines?«
»Sie ist sechzehn.«
»Du bist noch jung.«
»Ich war fünfzehn, als ich sie bekam.«
»So junge Italienerinnen, nie gehört.«
»Hier im Süden kann das vorkommen.«
Der Dialog ging nicht weiter. Mimi wollte ihn nicht fortsetzen, sie war sicher, dass der Mann sie etwas fragen würde, worauf sie nicht antworten konnte.
Der Mann kippte sein Bier hinunter, in derselben Zeit hatte Mimi gerade einen Schluck getrunken, und schon lagen die Lippen des Musikanten auf den ihren. Die Kühle des Mundes war ihr nicht unangenehm, sie ließ sich küssen, öffnete ihre Lippen und spürte die ungestüme Zunge grob bis zur Kehle eindringen. Der Mann hatte sicher schon viele Münder geküsst, dachte Mimi, aber wahrscheinlich alle so schlecht. Mit der Zunge drang ein intensiver Geschmack nach Tabak und Alkohol in ihren Mund, er störte sie nicht, auch nicht der starke Schweißgeruch, den der Musiker ohne Namen verströmte.
Sie küssten sich ein paar Minuten lang, dann spürte sie, dass die Hände des Fremden zwischen ihren Beinen versuchten, die Unterhose zu berühren. Schwielige Finger, die Mimi festhielt, bevor sie sie weiter oben betasten konnten. Sie schüttelte den Kopf, aber der Mann gab nicht auf.
»Lass uns reingehen«, bat er flehend.
»Nein, da sind deine Kinder.« Ihre Entgegnung kam nicht besonders ungezwungen.
»Sie wachen nicht auf, du sprich nicht, schrei nicht.«
Mimi ahnte, dass sie ihm nicht trauen durfte, aber sie war gepackt von der Stimme, die jetzt in der Erregung brach, wenige Augenblicke zuvor falsch und plump und davor, während des Singens, weich und liebenswürdig geklungen hatte.
Sie fand sich auf einem Feldbett liegend wieder, lose Sprungfedern stachen ihr in den Rücken und die Schultern, als hätte die Matratze Löcher, dann war der Mann über ihr. Sein Atem veränderte sich, wurde keuchend und schleppend, der Fremde fing an, sie hastig zu küssen. Er versetzte ihr einige Bisse, aber es waren leichte, angenehme Bisse, die Mimi zusammenfahren ließen, sie versuchte, ihm die Hose abzustreifen, aber er wehrte sich, wollte es selbst tun.
»Ich habe meine Menstruation«, sagte sie schüchtern, während er auf einem Bein sprang, um sich die Hose auszuziehen. Das Wort »Menstruation« erreichte die Ohren des Musikers nicht. Kaum war er nackt, drang er in sie ein, dabei zog er ihr das Kleid bis übers Gesicht, Mimi sah die Löwenmähne verschwinden, die sie über sich hatte, jetzt hörte sie nur sein Keuchen, sie wehrte sich, wollte ihm wenigstens ins Gesicht sehen, doch der Mann hielt ihr das Kleid gewaltsam über dem Gesicht fest.
Die Liebe dauerte wenige Sekunden, der Mann merkte, dass Mimi blutete, er fasste sich an und steckte sich einen Finger in den Mund.
»Was ist das?«
»Blut.«
Der Mann spuckte auf den Boden und war mit einem Satz auf den Beinen, nun stand er im Halbdunkel. Die grobschlächtige, untersetzte Gestalt präsentierte sich Mimi in ihrer ganzen Unschönheit.
»Was glotzt du? Siehst du, was du angerichtet hast?« Seine Worte überschwemmten die feuchte, warme Luft.
Mimi fühlte sich ungerecht behandelt,
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