Zementfasern - Roman
Buchsbaumhecken und Kakibäumchen angekommen, einer Senke, in der die Generatoren der Buden mit Süßigkeiten und Krimskrams brummten. Hier waren zwei Paare, die sich küssten, ein Paar schnalzte laut mit den Zungen. Arianna und Federico blickten sich verschwörerisch an und begannen, einander mit Nase, Wangen und schließlich den Lippen zu berühren, um sich zu küssen und die ganze Nacht dort zu bleiben, bis der Morgen kam und sie in die Kirche San Rocco gehen mussten.
Paolo blieb zurück und fand auch Mimi und Celestino nicht wieder, er versuchte, gegen den Strom der Menge in umgekehrter Richtung zu gehen, aber es gelang ihm nicht, er fühlte sich wie von einer großen schwieligen Hand zerquetscht. Am liebsten hätte er sich auf dem Boden zusammengekauert, er wollte schreien, sein Gesicht rötete sich wie beim Sonnenstich, wenn das Blut ins Gesicht steigt. Dem Schweizer war, als müsste er gleich ohnmächtig werden.
»Biagino, du lässt mich nicht allein«, befahl Mimi.
»Und die Kinder?«
»Und die Kinder gehen, wohin sie wollen, das sind Kinder.«
»Ich bin auch ein Kind.«
»Mit dreißig bist du kein Kind, aber du benimmst dich wie eins und bleibst bei mir.«
Sie hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, da legte sich schon der riesige Arm von Pippo der Bestie auf Biaginos Rücken.
»Celestino, der Celestino ist da, kommt alle her und seht euch das an!«, schrie Pippo, und während er noch schrie, traten diverse Figuren aus der Menge, die Mimi in ihrem Notizbuch als »Personen, die sogar in Notfällen unbedingt zu vermeiden sind« verzeichnet hatte, darunter auch der zügellose Catone mit einer Aluminiumflasche um den Hals.
»Catone!«, warnte eine verzagte Mimi mit erhobenem Finger und einem Lächeln, das die Situation so weit wie möglich entspannen sollte. »Den Biagino bringst du mir rechtzeitig zurück nach San Rocco zur Messe, in Ordnung?«
»Mimi, du siehst richtig scharf aus.«
»Hast du getrunken, Catone? Du hast getrunken. Meinen Jungen lässt du nicht trinken.«
»Ein Junge bist du?« Catone wandte sich an Biagino, kniff ihn in die Wange.
»Er ist kein Junge mehr, aber heute Abend sollte man ihn besser wie einen behandeln, glaub ich«, erwiderte Mimi.
»Celestino, so lässt du dich von deiner Schwester schikanieren?«
Aber Celestino lachte nur, er hatte ein starres gutmütiges Lächeln aufgesetzt, das Gespräch interessierte ihn nicht, ihn interessierte nur, so schnell wie möglich mit Catone und Pippo in die erste Bar zu gehen.
»Biagino, wenn du betrunken bist, lass ich dich nicht ins Auto, ist das klar?«
»Er heißt Celestino, Mimi, nicht Biagino, Celestino heißt er«, sagte Catone, aber Mimi wollte nichts mehr hören. Sie machte die Leinen los und wurde leicht, mit denen wollte sie keine Zeit mehr verlieren, die Luft nicht mehr mit diesen Subjekten teilen; der Menschenstrom trug sie davon wie ein Papierbötchen, schwerelos schwebte sie über den Köpfen, hörte die Stimmen zu einem ununterscheidbaren Lärm hinten am Ufer verschmelzen. Gerne wäre sie schon auf der Piazza gewesen, im Zentrum, wo die alten Einwohner von Ruffano im weißen Hemd und Hosen aus schwarzem Barchent ihren rituellen Tanz aufführten. Dort wollte sie auf die segensreiche Ausstrahlung des heiligen Rochus warten, der den Ort vor vielen Jahrhunderten vor der Pest bewahrt hatte.
Mimi überließ sich den Wellenbewegungen der Masse, die Luft war erfüllt von lautem Stimmengewirr, dem Geruch von Industriezucker, dem sauren Schweiß der Sommernächte. Der Atem der Leute war unerträglich, ihr Lärmen, ihre Bewegungen wie die eines fetten dahinsiechenden Meerestiers.
Plötzlich wurde Torrepaduli von einer Gruppe von Angebern durchstürmt, die ihren großen Auftritt haben mussten. Ein Huhn mit einer Kapuze über dem Kopf, das an einer Leine geführt wurde, sorgte für Aufruhr zwischen den Karussells. Celestino, Catone, Pippo die Bestie und andere Typen von ihrer Sorte zerrten das Tier mal hierhin, mal dorthin und machten Scharen von Kindern verrückt, die sofort wie besessen hinter ihnen herliefen.
Pippo heulte aus voller, vom Alkohol gereinigter Kehle – der Schnaps hatte ihm sogar ein Kastratenstimmchen verliehen –, während er mit einem blauen Bottich voller Bierdosen auf dem Rücken herumlief und eine Wasserspur auf dem Boden hinterließ, als wäre er ein Tankwagen. Als Paolo das brüllende Spektakel der Betrunkenen erblickte, die aus gut zehn Metern Abstand wie ein wirrer Haufen Rugbyspieler
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