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Zementfasern - Roman

Zementfasern - Roman

Titel: Zementfasern - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach <Berlin>
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wenigstens ein bisschen Obst mit.«
    »Äpfel gibt es auch in Rom, weißt du?«
    »Die schmecken nach nichts, die Äpfel in Rom.«
    Bahnhof von Lecce, Federico konnte auch dieses Mal nicht kommen, auf dem Bahnsteig schiebt der junge Arbeiter den Wagen mit Ariannas Koffern. Mimi hält eine Zweiliterflasche Wasser in der Hand und versucht, ihre Tochter zu überreden, die Flasche mit in den Zug zu nehmen.
    Der junge Mann beobachtet das Duett aus einigen Metern Abstand, er ist diskret.
    Er hört nicht, was sie sagen, aber es ist leicht zu verstehen, worum es geht, Mimi hält die Flasche hin, Arianna schüttelt den Kopf. So ohne Ton sind sie komisch, sie wissen beide genau, dass sie eine Rolle spielen. Keine von beiden ist überzeugt von dem, was sie tut.
    Dann steigt Arianna in den Zug, der zwischen den Bahnsteigen davonkriecht. Arm in Arm sehen der junge Mann und Mimi zu, wie er entschwindet.

2003
Die Zitronatbäume

Arianna hatte erst im letzten Zug einen Platz bekommen. Sie würde weit nach Mitternacht in der stillen Stadt ankommen.
    Mimi hatte diese plötzliche Rückkehr mit keinem besonderen Grund verbunden.
    Arianna kam nie an Wochenenden, erst recht nicht an einem nutzlosen Samstag Ende November. Der Bahnhof von Lecce war in einen weißen Dunst gehüllt, der an den Rauch brennender Stoppelfelder erinnerte, der einfahrende Zug zog eine dunkle imaginäre Linie durch den Dunstschleier.
    Als Mimi sie vom Trittbrett steigen sah, wurde ihr sofort klar, dass etwas passiert war. Ihre Tochter hatte den Koffer vom Zug heruntergezerrt. Sie schien am Ende ihrer Kräfte, als hätte sie den Koffer tagelang auf dem Rücken getragen, ein Schneckenhaus.
    Arianna war blass, die nachgewachsenen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie sah mager aus, dunkle Ringe unter den Augen, sie hatte viel geweint.
    Mimi wusste um den besonderen Zeitpunkt für Fragen, es gibt immer einen richtigen Moment, um Fragen zu stellen, und noch war er nicht gekommen. Sie würde sich nicht von ihrer Sorge überwältigen lassen, sondern mit allen Fragen warten, bis der Moment gekommen war. Sie nahm den Rollkoffer an sich, als wäre Arianna ein kleines Mädchen, umarmte sie anders, mit größerer Heftigkeit, presste ihr die Schultern zusammen, strich ihr mit der Hand über den Rücken, eilfertig und großzügig, wie jemand, der einen frierenden Körper wärmen muss. Normalerweise wehrte Arianna jede Art Gefühlsausbruch ab, doch angesichts der Entschiedenheit und des glühenden Atems ihrer Mutter ergab sie sich.
    Auf dem Platz vor dem Bahnhof stand der Panda in einer gewagten Position genau in der Mitte der freien Fläche, er wirkte wie fluchtartig verlassen.
    Arianna fragte Mimi nach dem Grund für eine so merkwürdige Parkposition.
    »Dein Onkel sitzt im Auto«, antwortete Mimi. Doch als sie ankamen, war niemand darin.
    Arianna sah ihre Mutter vorwurfsvoll an und fragte, warum sie ihn mitgenommen habe.
    »Besser, er ist bei mir als bei seinen Freunden.«
    »Dieser Schwachkopf hat sogar das Auto offengelassen.«
    »Dein Onkel hat den Kopf in den Wolken, ich habe einen Ersatzschlüssel.«
    »Mama, der Onkel ist ein Idiot, ich mache mir Sorgen.«
    »Dein Onkel hat eine gute Seele, Gott möge ihn beschützen, ich bin froh, dass es ihn gibt. Er hilft mir, er hört mir zu, und er ist immer da. Er wird zurückkommen. Und wenn nicht, finden wir ihn. Bisher haben wir ihn noch immer gefunden.«
    »Wenn er sich betrinkt und hier in Lecce zusammenbricht, kennt ihn keiner.«
    »Mach dir keine Sorgen, wir finden ihn gleich«, versuchte sie Arianna und sich zu beruhigen.
    Sie stiegen ins Auto und begannen, ziellos in der von einem weißen Licht erfüllten Stadt umherzufahren. Die Allee war leer, Arianna hatte den Kopf aus dem Fenster gestreckt, um jeden Menschen auf den Bürgersteigen genau zu mustern, einen Transvestiten mit einer blonden Perücke, abgenutzt und künstlich wie Stroh, so dass sie ihm ein lächerliches Aussehen verlieh, eine Gruppe Studenten, die singend um eine Straßenlaterne standen.
    »Bevor wir den Onkel auflesen: Sagst du mir, warum du gekommen bist?« Mimi fragte so behutsam, wie sie konnte. Sie ließ ihre Stimme sehr sanft klingen, so sprach sie auch, nachdem sie mit jemandem geschlafen hatte, eine zitternde, gerührte Stimme, doch die Worte sorgfältig betont.
    Eine Antwort erhielt sie nicht.
    Sie hörte ein Schniefen, und als sie sich rasch umwandte, sah sie eine Träne über die Wange ihrer Tochter laufen. Eine Quecksilberperle, die

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