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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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davonzustehlen, großer Meisterassassine. Selbst wenn wir nicht auf einen Fluchtversuch vorbereitet wären,
kämest du in deinem jetzigen Zustand nicht weit.“
    Ihre schlichte Logik missfiel Sothorn. Misstrauisch sah er seiner Gastgeberin nach, die sich weder die Mühe gemacht hatte, sich vorzustellen noch seine Fragen zu beantworten.
    Meisterassassine. So viel zu der Frage, ob er in die Hände freundlicher Reisender geraten war. Sie wusste, wer er war.
    Eine Falle? Vermutlich. Nur warum? Wer brauchte einen abgehalfterten Assassinen?
    Er entschied, die bohrenden Fragen fürs Erste zurückzustellen. Früher oder später würde er Antworten erhalten. Im Zweifelsfall mit Gewalt.
    Kurze Zeit später kehrte die Fremde zurück. Sie stellte ein Tablett mit dampfendem Eintopf und Brot auf den Tisch. Sothorn verschlang gierig jeden Bissen, während sie ihn
kühl beobachtete.
    Als der letzte Rest Brot in seinem Mund verschwand, griff sie stumm in ihr Oberteil und brachte ein Tonfläschchen zum Vorschein. Schweigend hielt sie es Sothorn entgegen.
    „Was ist das?“, rutschte es ihm entgegen seines Entschlusses, vorerst auf Fragen zu verzichten, heraus.
    „Das wirst du schon sehen.“ Ungeduldig drückte sie ihm das Fläschchen in die Hand. „Mach auf und trink.“
    Aus stumpfen Augen musterte Sothorn die fremde Frau, zuckte die Achseln und löste das Wachs vom Flaschenhals. Prüfend roch er am Inhalt und hielt überrascht inne. Der Geruch des
Zenjanischen Lotus war unverkennbar. Eine Stimme in seinem Hinterkopf verlangte nach einer Erklärung, die diese eigenartige Situation auflöste, aber Sothorns Körper handelte
eigenständig und ließ ihn die Droge ohne Zögern schlucken.
    „Na endlich. Und jetzt komm.“
    Seine Begleiterin führte Sothorn in einen lang gezogenen Flur. Während er ihr folgte, wurde seine Wahrnehmung klarer, aber die Kraft kehrte nicht zurück und ließ ihn sich
fragen, wie lange er geschlafen hatte.
    Er versuchte, im Halbdunkel Einzelheiten seiner Umgebung zu erfassen. Sie passierten ein gutes Dutzend geschlossener Holztüren. Hinter manchen hörte er leise Stimmen.
    Der Flur selbst war ebenso aus dem Felsen geschlagen wie das Zimmer, in dem er erwacht war. An den Wänden loderten Fackeln, in deren Licht man die Überbleibsel einstiger Steinmetzkunst
erkennen konnte. Die Reliefs zeigten verschlungene Pflanzentriebe und fremdartige Schriftzeichen, die Sothorn nicht lesen konnte.
    Einige Male passierten sie eine Ausbuchtung, in der sich eine vom Alter abgeschliffene Statue erhob. Manchen der fremdartigen Kreaturen fehlten Gliedmaßen oder Teile des Torsos. Weder die
Schrift noch das Muster im Stein sah Sothorn zum ersten Mal.
    „Eine Adelijar-Festung?“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu seiner schweigsamen Begleiterin.
    Zu seiner Überraschung erwiderte sie bereitwillig: „Genau. Ich hoffe für dich, dass du nicht zu den Leuten gehörst, die an Flüche oder sonstigen Unfug
glauben.“
    Er schüttelte den Kopf. Zum Glauben gehörte stets eine gewisse Emotionalität, die ihm abging. Zudem hatte er den größten Teil seines Lebens in den Katakomben unter dem
Anwesen seines Herrn verbracht. Entsprechend schreckte ihn der Gedanke nicht, sich in einer Festung zu befinden, die mit Hilfe von Elementargeistern tief in den Fels getrieben worden war.
    Ich muss immer noch an der Westküste sein, überlegte Sothorn. Für den hohen Norden, der um diese Jahreszeit unter der Last des Schnees stöhnte, war der Wind in seinem Zimmer
zu mild gewesen.
    Bei den Adelijar handelte es sich um ein sagenumwobenes Volk, das vor langer Zeit vornehmlich die Küsten des Kontinents besiedelt hatte. Niemand vermochte zu sagen, welche Gestalt sie
gehabt hatten oder von welcher Gesinnung sie gewesen waren, aber sie hatten ihre Spuren hinterlassen und Bauwerke von fremdartiger Schönheit geschaffen. Eines Tages verschwanden sie.
Farbenfrohe Legenden rankten sich um die Adelijar, doch ihre Geschichten waren so oft erzählt und verändert worden, dass der wahre Kern kaum auszumachen war. Die meisten Menschen
fürchteten die alten Baumeister und hielten sich von ihren Ruinen fern. Es verlangte viel Mut, sich über das Wissen hinweg zu setzen, dass über dem eigenen Kopf die Last eines
Berggipfels ruhte. Besonders, da das verschwundene Volk bevorzugt in der Nachbarschaft von Vulkanen gebaut hatte.
    „Wir sind da.“
    Die Fremde stieß eine Flügeltür auf, die in einen kreisrunden Raum mündete. Sie gab Sothorn einen

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