Zenjanischer Lotus (German Edition)
wir durften die Arena verlassen.
Unsere Herrin war nicht glücklich, nahm uns aber wieder bei sich auf. Sie ahnte nicht, dass Theasa und ich in der Arena eine wichtige Lektion gelernt hatten. Es ist möglich, den
Schmerzen zu trotzen. Und damit war es auch möglich, den Griff des Lotus zu lockern.“
„Ist es nicht“, warf Sothorn aufgebracht ein. Die Vorstellung an zehn Tage ohne Lotus sandte Schockimpulse durch seinen Bauch. „Jeder weiß, dass man sich nicht davon
lösen kann. Lieber nimmt man sich das Leben, als die Schmerzen zu ertragen.“
„Bitte, lass es mich in Ruhe erklären“, beschwichtigte Janis ihn. „Ich sagte lockern, nicht brechen.
Zurück zu unserer Geschichte: Wir wollten nicht sterben. Und wie ich schon erwähnte, war unsere Meisterin alt und gebrechlich. Sie machte Fehler, war nicht aufmerksam genug. Wir
begannen, den Lotus zu sammeln. Wir nahmen weniger, als sie uns brachte. Manchmal nur einen Schluck, manchmal warteten wir einen Tag, um die Einnahme zu verzögern.
Allein hätte es keiner von uns geschafft. Aber nach einer Weile hatten wir einen Vorrat erarbeitet, der uns genug Luft zum Atmen verschaffte, um einen Ausbruch zu wagen. Wir töteten
unsere Herrin, wir stahlen ihr Eigentum und flohen. Ich will dich nicht mit den Details unserer Reise langweilen. Aber nach einiger Zeit fanden wir jemanden, der unseren Zufluss an Zenjanischem
Lotus sicherte; einen verdorbenen Händler, der den Reichen keine Treue entgegen brachte und ihnen gerne ein Schnippchen schlug. Aber unser Lebenselixier ist teuer, wie du weißt.
Das erste Jahr war furchtbar. Folter. Doch wir entfernten uns von dem Gift. Wir brauchten immer weniger, umso länger wir es schafften, uns ohne Lotus über den Tag zu quälen.
Theasa hat sogar versucht, sich vollständig zu befreien. Es gelang ihr nicht. Insofern stimme ich dir zu. Man kann sich nicht vom Lotus lösen. Aber man kann das Rad der Zeit
zurückdrehen, die Dosis verringern und wieder Mensch werden.“
Janis atmete tief durch. Sothorn kam es vor, als fiele es ihm schwer, über seine Vergangenheit zu sprechen.
„Wir begriffen, dass wir auf Dauer nicht allein überleben konnten. Wir brauchten einen stetigen Fluss Silber, um unsere Sucht zu bezahlen. Aber wie sollten wir das gewährleisten?
Welcher Meuchelmörder kann sich sicher sein, dass er nicht verletzt wird, nie krank wird? Nie gefasst wird und im Gefängnis landet? Was, wenn einer von uns gestorben wäre? Dann
wäre der andere allein zurückgeblieben. Ohne Schutz und Sicherheit.
Damals wurde die Bruderschaft geboren. Aus der Verzweiflung heraus. Niemand wollte mit Pack wie uns zu tun haben. Wir bekamen keine Gelegenheit, einer ehrlichen Arbeit nachzugehen, die genug
abwarf, um unser Überleben zu sichern. Wir brauchten den Schutz einer Gemeinschaft.
Und darum bist du hier. Weil wir Gleichgesinnte brauchen. Wir brauchen Menschen, die denselben Weg gegangen sind und an derselben Stelle stehen wie wir damals. Menschen, die sich uns
anschließen und Teil unserer Bruderschaft werden.“
Überwältigt von der Fülle der Neuigkeiten lehnte Sothorn sich zurück. Ein Teil von ihm wollte aufspringen, mehr erfahren, schreien, weil es plötzlich einen Funken
Hoffnung gab.
Voller Bewunderung sah er Janis an, der das Unmögliche gewagt und auf seine Weise gemeistert hatte. Gleichzeitig rebellierte die Sucht in seinem Körper und flüsterte ihm ein, dass
er betrogen wurde. Niemand konnte sich gegen die Droge zur Wehr setzen.
Oder doch? Ließ man die Assassinen nur glauben, dass es keine Umkehr gab, damit sie sich fügten?
Sothorn bemühte sich, sachlich zu bleiben, was ihm angesichts seiner mangelnden Emotionalität leicht fiel:
„Eine Bruderschaft? Was hat es damit auf sich? Was tut ihr? Wie viele seid ihr?“
Drei Bewohner der steinernen Festung hatte er kennengelernt. Das reichte kaum aus, um sich als Bruderschaft zu verstehen.
„Im Augenblick sind wir siebzehn Erwachsene. Dazu kommen die Kinder. Wir sind ... ja, ich denke, wir sind eine Art Familie“, lächelte Janis, als Sothorn ungläubig die
Augen aufriss. „Wir besitzen einander nicht. Theasa und ich bestimmen nicht über die anderen. Wir sind ein lockerer Verbund von Vogelfreien, die allein nicht überleben würden.
Das Kopfgeld auf jeden Einzelnen von uns ist sagenhaft. Es gibt keinen reichen Herren mehr in unserem Leben, der die Wache schmiert, um uns zu schützen. Jeder Einzelne von uns versteht sein
Handwerk, und wir setzen es
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