Zenjanischer Lotus (German Edition)
ein, wenn man uns dafür bezahlt.
Wir stehlen, wir schmuggeln, wir töten. Wir sind Söldner, Diebe, Leibwächter, Hehler, Erpresser, Entführer und natürlich Assassinen. Aber wir entscheiden, welche
Aufträge wir annehmen und mit welchen wir nichts zu tun haben wollen. Wir sind frei.“
„Du weißt, dass das zu gut klingt, um wahr zu sein“, murmelte Sothorn. „Warum ich? Was erwartet ihr von mir?“
Janis schüttelte den Kopf. Seine Züge wurden weich.
„Erstens: Es macht keinen von uns glücklich zu wissen, wie viele unserer Brüder und Schwestern einem frühen Tod entgegen gehen“, erklärte er. „Man wirft uns
fort wie Abfall, wenn der Lotus unsere Körper angreift. Man lässt uns keine Wahl, keinem von uns. Dieses Schicksal erspart man anderen gerne, wenn man die Möglichkeit hat. Zum
Zweiten will ich dir nichts vormachen. Die Bruderschaft gewinnt ihre Stärke aus den Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder. Du bist ein guter Fang für uns. Wir wollten dich schon lange
zu uns holen, aber wir hatten bisher niemanden in unseren Reihen, der dir gewachsen war.“
Sothorn schnaubte, als er an den mittelmäßigen Kampfstil des Wargssolja dachte, schwieg aber fürs Erste und wartete auf weitere Erklärungen.
Janis erhob sich und begann vor dem Tisch auf und ab zu schreiten.
„Was erwarten wir von dir?“, wiederholte er laut. „Eigentlich ist das die falsche Frage. Die Frage ist, wo du deine Zukunft siehst. Was du dir von deinem Leben erhoffst. Wir
werden dich zu nichts zwingen. Im Grunde hast du drei Möglichkeiten. Du kannst zu Stolan von Meerenburg ...“, Janis spuckte den Namen aus, als hätte er in ein Stück
verdorbenes Fleisch gebissen, „... zurückkehren. Wir werden dich nicht aufhalten, dich nur erneut betäuben und vor den Toren von Balfere absetzen. Danach werden wir uns nie
wiedersehen. Es sei denn, wir erhalten den Auftrag, dich zu töten.
Die zweite Möglichkeit ist, dass du deinem Leben ein Ende setzt. Ich weiß nicht, wie es um dich steht; genau, wie ich nicht weiß, wie du es geschafft hast, so lange zu
überleben. Aber wenn du sterben willst, können wir dir dabei helfen. Diesen Freundschaftsdienst würden wir dir erweisen.
Die dritte Möglichkeit, und das, was wir uns wünschen, ist, dass du bei uns bleibst und Teil der Bruderschaft wirst. Wir versorgen dich, wir schützen dich. Wir nehmen dich auf und
kümmern uns um dich.“
„Einfach so?“, lachte Sothorn bellend auf. Das klang irreal in seinen Ohren.
„Einfach so“, wiederholte Janis bestätigend.
„Und wo ist der Haken an der Sache? Schön und gut, ihr braucht Leute, denn als Gruppe seid ihr stärker. Das Angebot klingt verführerisch. Aber wieso wimmelt es hier nicht
vor verlorenen Assassinen, die sich euch anschließen wollen?“
„Der Haken ist, dass wir dich nicht durchfüttern können“, gab der gealterte Meuchelmörder ohne Umschweife zu. „Wir können niemanden in unseren Reihen
halten, der sich nicht unter Kontrolle hat und jeden zweiten Tag sein Gift braucht. Wir können niemanden gebrauchen, der ständig im Nebel steht und nicht Herr seiner Sinne und
Entscheidungen ist. Du müsstest den Weg gehen, den wir alle gegangen sind und in Kauf nehmen, dass du unterwegs unter Umständen deinen Verstand verlierst. Dazu sind weniger Menschen
bereit, als man denken würde.“
Sothorn verzog zynisch das Gesicht: „Das ist alles?“
„Nein, da wäre natürlich noch die Frage der Loyalität.“ Zum ersten Mal wurde Janis› Gesicht hart und ließ ahnen, dass er sehr brutal werden konnte.
„Wer uns verrät, stirbt. Keine Diskussionen, keine Verhandlung, keine Gnade. Entweder du verschreibst dich uns mit jeder Faser deines Herzens oder du kannst nicht bei uns bleiben. Ich
werde jeden töten, der meiner Familie schadet.“
Fast war Sothorn erleichtert über den Ausbruch verbaler Gewalt. Der neue Tonfall war ihm vertrauter als die sanftmütigen Erklärungen zuvor.
Im Stillen reduzierte er die Auswahl seiner Alternativen auf zwei. Er würde auf jeden Fall sterben, denn bei Stolan hatte er keine Zukunft mehr. Aber anscheinend wusste die Bruderschaft
nicht, wie geschädigt sein Körper bereits war.
„Was würde mich erwarten?“, fragte er vorsichtig. „Bezogen auf den Lotus, meine ich?“
„Nicht mehr oder weniger als Flammen der Unterwelt“, erwiderte Janis und nahm wieder auf seinem Stuhl Platz. Eindringlich sah er Sothorn in die Augen: „Es ist eine schreckliche
Quälerei. Und wir können
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