Zenjanischer Lotus (German Edition)
Ein Teil von ihm wunderte sich,
als seine Zähne sich in Fleisch schlugen. Einem anderen Teil war es egal.
„Ich glaube, ich ...“, fluchte Geryim.
Feuchtigkeit benetzte Sothorns Brust. Er hörte Schritte, ein dumpfes Geräusch, als ein gestiefelter Fuß gegen die Wand trat.
Kälte durchtränke sein Hemd und benetzte seine Haut, wirkte belebend auf Sothorns Geist. Hustend blickte er auf, sah Geryim in einer Entfernung von einem Bein auf das andere treten und
an seiner Hand lutschen.
Hatte er ihn gebissen? Und wenn ja, tat es ihm leid? Vielleicht ein wenig.
Die zwitschernde Stimme in seinem Kopf verstummte, und Sothorn war nach Weinen zumute. Er hasste die Schwäche seines Körpers, schämte sich für die Unzulänglichkeit
seines Geistes, der der Droge nichts mehr entgegenzusetzen hatte.
Er wand sich innerlich, dass er in diesem Zustand von anderen gesehen wurde. Gleichzeitig machte ihm der Gedanke, allein zu sein, panische Angst.
Bebend beobachte er, wie Geryim sich mit den Händen an die Wand stützte, die Schultern angespannt, schwer atmend, als kämpfe er seinerseits um Kontrolle, Überwindung, was
auch immer.
Seine Züge waren finster. In diesem Augenblick war er jemand, dem Sothorn auf keinen Fall nachts in einer dunklen Gasse begegnen wollte. Und das sagte er, der in der Vergangenheit selbst
für seine Opfer zum schattenhaften Albtraum geworden war.
Rasselnd holte Sothorn Atem. Abgesehen von dem Zerren in seinen Muskeln, dem Stechen in seinen Gelenken, dem Dröhnen in seinem Kopf tat ihm der Hals weh. Seine Kehle war
ausgedörrt.
Sie hatten recht. Sowohl Geryim als auch die Stimme in seinem Geist. Er musste vernünftig sein und trinken. Viel trinken.
Nur war Vernunft anstrengend. Vernunft verlangte danach, dass er sich helfen ließ. Vernunft bedeutete, sich von fremden Händen stützen zu lassen und nicht – das war
wichtig – nach ihnen zu beißen.
„Entschuldige“, zwang er sich zu sagen und kämpfte darum, sich aufrecht hinzusetzen.
In diesen Tagen war alles ein Kampf und er wagte nicht zu fragen, wie viel Zeit vergangen war.
Wie lange war es her, dass Theasa bei ihm gewesen war? Einige Stunden oder vielleicht doch schon einen Tag? Die Woche, die er sich erträumte, war es sicherlich nicht. Leider.
Geryim fuhr zu ihm herum, ein harter Zug um den schmalen Mund. Kurzzeitig war Sothorn sicher, dass der Wargssolja ihm an die Kehle gehen würde.
Geryims Raubvogelaugen loderten und brandmarkten ihn als Beute, bevor sie hinter bläulich-blassen Lidern verschwanden. Er sah schlecht aus, sein Wärter und Wächter. Verspannt.
Krank. Angestrengt, als würde er die Kontrolle verlieren.
Aber Geryim beherrschte sich: „Schon gut.“
Seine Finger öffneten und schlossen sich unstet. Sothorn konnte sich denken, dass der Wargssolja ihm in Gedanken gerade wichtige Organe zerquetschte. Fast wünschte er sich, dass Geryim
sich nicht zurückhielte.
Ein Ende seiner Qualen wurde mit jedem Tag, der verging, verführerischer.
Vielleicht war es der drängende Durst, vielleicht die Tatsache, dass er sah, dass Geryim sich Mühe gab, sich zu beherrschen.
Eines von beidem ließ Sothorn seinen Stolz vergessen und flüstern: „Du ... hilft du mir?“
Zaghaft nickte er in Richtung des Krugs, der in sicherer Entfernung zu ihm am Boden stand.
Der Wargssolja nickte knapp und gesellte sich zu ihm. Schweigend setzte er sich an Sothorns Seite und hielt den Krug fest, während Sothorn vorsichtig trank. Die blutigen Bissspuren auf
Geryims Handrücken verschwammen bei jedem Schluck vor Sothorns Augen.
* * *
„Kannst du mir sagen, was das soll?“, knirschte Geryim durch die Zähne, als ein weiterer Brotkrümel in seinen wild abstehenden, in diesen Tagen nicht gewaschenen Haaren
landete. Ungehalten strich er sich über das Hemd, auf dem sich ein guter Teil eines Stücks Brots verteilte.
„Keine Ahnung“, gab Sothorn zurück. „Mir ist danach.“
Auf seine Weise war es ein besserer Tag als die vorangegangen. Er fand es verwunderlich, aber der Schmerz hatte sich weitestgehend zurückgezogen.
Sothorn bezweifelte, dass sich daraus ableiten ließ, dass er das Schlimmste hinter sich hatte. Viel mehr handelte es sich wohl um eine Atempause, bevor sein Körper sich mit aller
Macht aufbäumte und sich gegen den Entzug zur Wehr setzte.
Es hätte ein guter Tag sein können, wenn Sothorn nicht vor unterdrückter Wut fast rasend gewesen wäre.
„Wenn ich immer tun würde, wonach mir gerade ist ...“,
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