Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
Vom Netzwerk:
hatten ihn Theasa und ein Fremder gewaschen und umgezogen. Willenlos hatte er es mit sich geschehen lassen, während seine Zunge
vor Sehnsucht nach einem Tropfen Lotus verglühte. Es war ihm nicht einmal peinlich gewesen, dass sie ihn umsorgten wie ein Kleinkind.
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, glorifizierte Sothorn die Droge. Träumte von ihrer weichen Konsistenz in seinem Mund, von ihrem Aroma, ihrer dunkelgrünen Farbe, die der eines
abgestandenen Sumpftümpels glich. Er fantasierte von der Wirkung, die sich fast augenblicklich entfaltete, von dem Gefühl samtweichen Friedens und einer Maske aus falscher Heiterkeit,
hinter der sich das Nichts verbarg.
    Konzentration, wachsame Sinne auf der einen Seite, auf der anderen Taubheit und Ruhe.
    Es war nicht wichtig, was er im Lotus sah. Wichtig war, dass er das Gift brauchte, wollte, begehrte, haben musste, während er mit ausgestreckten Gliedmaßen auf dem Steinboden lag und
an die Decke sah.
    Gestreifte, gepunktete, einfarbige Schlangen bewegten sich über ihm. Sie krochen aus dem Felsen, wenn sie sich unbeobachtet fühlten, schlängelten über ihm entlang und
warteten darauf, ihre Fänge in sein ungeschütztes Fleisch zu schlagen.
    Sothorn lächelte dünn, als er in dem Gewirr sich ineinander verschlingenden Körper die stille Form einer Kadis-Schlange ausmachte.
    Die Jäger aus den Sümpfen seiner Heimat verfügten über die wunderliche Fähigkeit, die Farbe ihres Schuppenkleids an den Untergrund anzupassen. Jedoch nicht, um sich vor
Fressfeinden zu verstecken, sondern um ihrer Beute aufzulauern. Sie verfügten über keinerlei Gift und keine Muskelstränge, die es ihnen möglich machten, ihre Opfer zu
erwürgen. Einzig ihre Tarnung und Schnelligkeit sorgten dafür, dass sie zu gefürchteten Jägern in der Tierwelt wurden, die ganze Ratten zur Hälfte verschlangen, bevor diese
auch nur mit dem Schwanz zucken konnten.
    Kadis-Schlangen waren wie Assassinen. Verborgen in den Schatten, schnell und sehr tot, wenn sie sich vor der Zeit blicken ließen.
    Das Knarren der Tür verschreckte die Schlange, doch Sothorn fürchtete sich nicht mehr vor Einflüssen von außen. Hatte er wirklich ein halbes Leben mit der Hand am Dolch
verbracht, wenn sich etwas unerwartet regte?
    Er wusste nicht, ob es gut oder schlecht war, dass er angesichts eines Eindringlings nicht mehr zusammenzuckte. Auf jeden Fall war es bequem und weit weniger anstrengend, als instinktiv zum
Krieger zu werden – auch wenn man nicht viel zu verteidigen hatte, das dem Aufwand gerecht geworden wäre.
    „Was hast du eigentlich gegen das Stroh?“, waberte es ihm vom Schlangennest an der Decke entgegen. „So bequem kann der Stein doch nicht sein.“
    Eine heitere Stimme mit dem unverkennbaren Akzent der Nordländer. Zu heiter. Zu fröhlich und eindeutig zu freundlich, wenn man ihre letzte Begegnung bedachte.
    Lange bevor Sothorns Bewusstsein Geryim erkannt hatte, wusste er, mit wem er es zu tun hatte. Die einzigartige Melodie seiner Stimme, die Art, wie er sich bewegte, vielleicht sein Geruch
erfüllten Sothorns Sinne, bevor sie seinen Verstand erreichten.
    Er freute sich. Tief im Inneren. Wortlos. Regungslos. Wusste nicht, warum, aber freute sich. War dankbar, dass Geryim wiedergekommen war.
    Wie ein Schiffsanker, der mit der Kraft mehrerer Männer aus den Untiefen des Meeres gezerrt wurde, tauchte Sothorn aus dem Nebel seines Verstandes auf. Müde blinzelte er. Es mangelte
an Tränenflüssigkeit.
    Sein Versuch, sich aufzurichten, scheiterte kläglich. Nutzlos schabten seine Ellenbogen über den Untergrund. Der einsetzende Schwindel überzeugte ihn davon, dass er in der
Horizontalen besser aufgehoben war.
    Auf der Suche nach ein wenig Speichel saugte er an seinen Wangen, bevor er krächzte: „Du bist zurück.“
    Geryim erwiderte nichts, nickte lediglich mit einem entspannten Zug um die Mundwinkel.
    Eigentlich hatte Sothorn etwas anderes sagen, sich entschuldigen wollen. Aber er wusste nicht, wofür. Verdammt, er hatte etwas angestellt, nicht wahr? Er konnte sich beim besten Willen
nicht erinnern.
    Mit einer nicht zu unterschätzenden Kraftanstrengung hob er den Arm und stützte den Handballen gegen den tiefsten Punkt seiner Stirn. Der leichte Schmerz verschaffte ihm eine kleine
Atempause in Sachen Schwindel, sodass er zu seinem Besucher aufsehen konnte, ohne dass sich die Wände um ihn herum drehten.
    Irgendetwas an Geryims Erscheinung war eigenartig. Sothorn runzelte die Stirn und ließ es

Weitere Kostenlose Bücher