Zentauren-Fahrt
noch widerstehen können?
Am Nachmittag des dritten Tages erreichten sie endlich das Königreich Onesti, oder zumindest seine Hauptfestung, Burg Onesti. Dor wunderte sich darüber, daß König Trent und Königin Iris, die ja keinerlei Magie zur Verfügung hatten, die Strecke in der gleichen kurzen Zeit zurückgelegt haben sollten. Vielleicht hatten sie die Schwierigkeit der Reise ja unterschätzt. Nun, das würden sie ja bald erfahren.
Dor versuchte, die Steine und das Wasser des Flusses zu befragen, doch das Wasser war keine zwei Augenblicke dasselbe und konnte sich an nichts erinnern, während die Steine behaupteten, daß im vergangenen Monat niemand hier entlanggekommen sei. Offenbar hatte der König eine andere Strecke gewählt, vermutlich eine unbeschwerlichere. Vielleicht hatte der König von Onesti ihm auch eine Eskorte entgegengeschickt, und sie waren zu Pferd einen Reitweg emporgeritten. Ja, das war das Wahrscheinlichste.
Vor der imposanten Burg blieben sie stehen. Riesige Steine bildeten gewaltige Mauern, die zum Vordereingang führten. Es gab keinen Burggraben, denn es handelte sich um eine Bergfestung. »Und was tun wir jetzt?« fragte Irene nervös. »Klopfen wir einfach ans Tor, oder was?«
»Dein Vater hat mir gesagt, daß Ehrlichkeit die beste Politik sei«, erwiderte Dor und überspielte seine eigene Unsicherheit. »Ich nehme an, daß er mir damit nicht nur ein Rätsel aufgeben wollte, um zu zeigen, wo er ist. Wir können uns der Burg in aller Offenheit nähern. Wir können ihnen sagen, daß wir aus Xanth sind und König Trent suchen. Vielleicht haben sie ja mit dem, was passiert ist, gar nichts zu tun – falls überhaupt irgend etwas passiert ist. Aber wir wollen nicht so weit gehen, ihnen von unserer Magie zu erzählen, für alle Fälle.«
»Für alle Fälle«, stimmte sie mit gepreßter Stimme zu.
Sie marschierte auf den Vordereingang zu. Das schien ohnehin der einzige Zugang zum Gebäude zu sein. Die Mauer führte an der Südseite durch den Wald, um auf raffinierte Weise mit den klippenähnlichen Hängen des Berges im Westen zu verschmelzen; sie selbst befanden sich an der Ostseite, wo der Zugang lediglich steil war. »Kein Wunder, daß niemand dieses kleine Königreich erobern konnte«, murmelte Irene.
»Dem stimme ich zu«, bemerkte Arnolde. »Man bekäme keine Belagerungsmaschine nahe genug heran, und ein Katapult müßte von unten im Tal aus abgefeuert werden. Vielleicht könnte man die Burg ja doch irgendwie einnehmen, aber. es sieht nicht so aus, als wäre das die Sache wert.«
Dor klopfte ans Tor. Sie warteten. Er klopfte ein zweites Mal. Immer noch keine Antwort. Dann tippte Krach mit einem Finger gegen das Tor, worauf es zu beben begann.
Nun öffnete sich knarrend eine Luke in der Mitte des Tors. Hinter Gitterstäben erschien ein Gesicht. »Wer seid ihr?« fragte der Wächter.
»Ich bin Dor von Xanth. Ich bin gekommen, um König Trent von Xanth zu suchen, der sich, wie ich glaube, hier befindet.«
»Wen?«
»König Trent, Dumpfbacke!« fauchte einer der Gitterstäbe.
Der Kopf des Wächters zuckte erschreckt zurück. »Was?«
»Hast du Tomaten auf den Ohren?« fragte der Gitterstab.
»Hört auf damit!« murmelte Dor den Stäben zu. Das war das Letzte, was er wollte – daß sein magisches Talent vorzeitig offenbart wurde! Dann, schneller und lauter: »Wir wünschen, König Trent zu sehen.«
»Wartet«, sagte der Wächter. Knallend schloß sich die Luke.
Doch Krach, der von seiner harten Arbeit der letzten beiden Tage ermüdet war, war sehr gereizt. »Nicht warten – starten!« knurrte er, und bevor Dor begriff, was er vorhatte, hatte der Oger bereits eine seiner Vorschlaghammerfäuste gegen das Tor gedonnert. Das schwere Holz zerbarst splitternd, und Krach steckte den Arm durch die Spalte, packte das Tor von innen und gab ihm einen kräftigen Ruck. Das ganze Tor löste sich krachend aus seinen Scharnieren. Dann griff er die Gitterstäbe mit der Linken und hob das Tor über den Kopf, während die anderen sich hastig duckten.
»Jetzt schau dir bloß mal an, was du angerichtet hast, du stumpfsinniger Grobian!« rief Arnolde. Doch alles in allem schien der Zentaur keineswegs völlig unzufrieden zu sein. Auch er war müde und reizbar von der Reise, und der Empfang auf Burg Onesti war nicht sonderlich höflich gewesen.
Der Wächter stand drinnen in der Toröffnung und starrte den Oger an, der mit einem Riesenschwung das Tor den Berghang hinabschleuderte. »Bringt uns zu
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