Zerberus - Unsichtbare Gefahr (German Edition)
Vermutlich eher, weil seine Männer sich seinem Befehl widersetzt hatten. Er wusste, wie diese Männer dachten und fühlten.
»Warum ausgerechnet SEALs? Die sind als Gegner nicht zu unterschätzen und werden den Angriff auf eines ihrer Teams nicht hinnehmen.«
Der grauhaarige Mann neben ihm, der seit etlichen Monaten sein Gehalt zahlte, winkte geringschätzig ab. »Das hat schon seinen Grund. Und es war ein wahrer Glücksfall. Bei unseren potenziellen Kunden hat es sich wie ein Lauffeuer verbreitet, dass wir mit der geringen Menge und ohne nennenswerte Vorbereitung ein gesamtes SEAL-Team kampfunfähig gemacht haben. Dieser kurze Film hat wahre Begeisterungsstürme ausgelöst, dazu noch die problemlose Anwendung und der absolut sichere und unauffällige Transport über jede Grenze, und die Nachfrage ist explodiert. Wir können den geplanten Absatz schon jetzt mühelos verdoppeln.«
Sein Chef sprach über das Giftgas wie über die Einführung eines neuen Markenproduktes. Vermutlich war es für ihn auch nichts anderes, einfach ein weiteres lukratives Geschäft. Und zwar eins, auf das er dringend angewiesen war. Nach einem nächtlichen Öffnen des Tresors im Arbeitszimmer hatte Browning einen guten Überblick über die finanziellen Verhältnisse seines Chefs. Es gab zwar im Ausland geparktes Schwarzgeld, aber seine offiziellen Mittel waren so gut wie erschöpft. Viel Zeit blieb ihm nicht, bis ihm die Banken den Geldhahn zudrehten. Er brauchte dringend reguläre Einnahmen, wenn er seinen Lebensstil aufrechterhalten wollte. Das Giftgas war so etwas wie seine letzte Chance.
»Da ich für Ihre Sicherheit verantwortlich bin, bleibe ich dabei: Sie gehen ein unkalkulierbares Risiko ein, wenn Sie sich mit den SEALs anlegen. Sie haben nicht nur alle technischen Möglichkeiten, sie werden auch persönlich hochmotiviert sein.«
»Sollen sie.« Sein Vorgesetzter verzog die dünnen Lippen zu einem selbstgefälligen Lächeln. »Was glauben Sie denn, wie ich die SEALs dazu gebracht habe, sich ausgerechnet dieses Haus vorzunehmen? Sie unterschätzen meinen Einfluss. Wir werden über jeden ihrer Schritte informiert.«
Browning zeigte bewusst seine Überraschung und hoffte, den Konsul so zum Weiterreden zu bringen. Aber zunächst überließ sein Chef es ihm, die Videodatei zu schließen, als die Übertragung erneut begann. Einmal reichte, ein weiteres Mal musste er sich das nicht antun.
Seine Taktik ging auf. »Sie wirken nicht überzeugt. Die Amerikaner werden kurzfristig in Hamburg eintreffen, und wir werden sie erwarten. Bis auf Weiteres brauchen Sie sich nicht darum zu kümmern, das erledigen andere.« Der Konsul lächelte erneut selbstgefällig. »Erst wenn es Probleme gibt, werden Sie aktiv. Bis dahin bereiten Sie das Haus und die Männer vor.«
Browning nickte knapp, konnte sich eine letzte Frage jedoch nicht verkneifen. »Sind die SEALs an den Folgen gestorben?«
Misstrauen erschien auf dem Gesicht des Konsuls. »Haben Sie Ihr Gewissen entdeckt?«
Mit gleichgültiger Miene schüttelte Browning den Kopf und fragte sich, warum sein Chef erstaunlich heftig auf die harmlose Frage reagierte. Da musste noch mehr hinterstecken. »Mich interessiert die Wirksamkeit von Zerberus.«
Der Konsul lächelte dünn. »Das hätte ich mir bei Ihrer Vergangenheit ja denken können, Sie können kaum ein Fan dieser angeblichen Elitetruppe sein. Ich muss Sie enttäuschen, sie waren zu schnell außer Reichweite. Wenn Sie an näheren Informationen interessiert sind, sehen Sie sich den Ordner an.«
Browning griff nach dem dünnen Aktenordner, öffnete ihn jedoch nicht. Trotz seines beachtlichen Gehalts und der bisher leichten, schon beinahe anspruchslosen Aufgabe empfand er tiefe Verachtung für das Vorgehen des Konsuls. In der Öffentlichkeit ließ er sich als Wohltäter feiern, aber in Wahrheit war ihm jedes Mittel recht, um Geld zu verdienen. Grenzen galten für ihn nicht – weder moralische noch gesetzliche. Sekundenlang dachte Browning an die Zeit, als er selbst …
Entschieden schüttelte er die Gedanken ab und schlug den Ordner auf. Den Navy-Offizier auf dem Porträtfoto kannte er. Ausgerechnet Mark Rawlins sollte sein Gegner sein? Das konnte kein Zufall sein. Schlagartig verstand er den Argwohn des Konsuls. Wieder holte ihn die Vergangenheit ein, Bilder erschienen vor seinem inneren Auge. Ein junger Lieutenant mit blutverschmiertem Gesicht und am Ende seiner Kräfte, der ihn dennoch bedrohte, entschlossen, seinen Willen durchzusetzen.
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