Zerberus - Unsichtbare Gefahr (German Edition)
den Fingern und sah aus dem Fenster des Büros, das die Firma ihm zur Verfügung gestellt hatte. Es blitzte, und er wartete mit angehaltenem Atem, bis sich ein gewaltiger Donnerschlag entlud. Das Gewitter tobte nun bereits den halben Vormittag über Bad Oldesloe, und eine Wetterbesserung war nicht in Sicht. Aber es gab Wichtigeres als das unbeständige Aprilwetter, für das Norddeutschland berüchtigt war. Wieder blickte er auf den Ausdruck vor sich. Sven würde ihm einiges zu seinem Vorhaben zu sagen haben, das war sicher, aber andererseits war seine Aufgabe bei
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bisher das reinste Kinderspiel gewesen, das Risiko müsste also überschaubar sein. Oder auch nicht. Rhythmisch mit dem Kuli auf die Schreibtischplatte trommelnd überlegte er und lächelte dann. Ach was, er war alt genug, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. In der Abgeschiedenheit des Büros, das einem erkrankten Mitarbeiter gehörte, hatte er problemlos sämtliche Buchhaltungsdaten des laufenden Jahres und des Vorjahres kopieren können. Das komplette Zahlenmaterial befand sich dank eines USB-Sticks bereits auf seinem Notebook. Ehe er sich verabschiedete, konnte und wollte er noch eine Sache klären.
Dirk markierte eine Stelle auf dem Blatt und ging zum Büro von Fehling, dem Leiter des Rechnungswesens.
Als Fehling einladend auf einen Stuhl deutete, winkte Dirk ab. »Vielen Dank, ich habe lange genug gesessen.« Er lehnte sich lässig gegen den Tisch in der kleinen Besucherecke und lächelte Fehling an. »Dank Ihrer hervorragenden Vorbereitung bin ich fertig und wollte mich gleich verabschieden.«
Dirks Lob erzielte die gewünschte Wirkung, der Leiter der Buchhaltung entspannte sich etwas. »Das höre ich gerne.« Vielsagend hob Dirk bei der zweideutigen Bemerkung eine Augenbraue, und sofort präzisierte Fehling: »Dass Sie mit der Vorbereitung zufrieden sind, meinte ich. Selbstverständlich können Sie so lange bleiben, wie es nötig ist.«
Dirk lächelte erneut. »Ich hatte Sie schon richtig verstanden und habe auch Verständnis dafür, dass Sie froh sind, wenn die lästige Prüfung endlich beendet ist.«
Fehling lächelte zurück und wirkte endgültig beruhigt. Im Prinzip war der Mann nett, aber unsicher, beinahe schüchtern. Niemand, der die Nerven für illegale Aktivitäten hätte. Aber das würde er bald genau wissen, es war Zeit für den nächsten Akt. »Sie haben Ihre Abteilung wirklich im Griff. Damit hatte ich nicht unbedingt gerechnet.« Fehlings Wangen röteten sich vor Ärger oder Verlegenheit. Sofort hob Dirk beschwichtigend die Hand. »Das war ein Kompliment, keineswegs eine Beleidigung. Ich habe gehört, dass Sie erst vor Kurzem die Leitung übernommen haben, und hätte nicht gedacht auf ein dermaßen eingespieltes Team zu treffen.«
»Das stimmt, aber viel hat sich nicht geändert seit dem tragischen Tod von Frau Kiebig. Ich war ihr Stellvertreter, und sie hat seit Langem … Ich meine, ihr Tod war ein großer Verlust für uns alle. Sie war sehr beliebt, aber … nicht, dass Sie es falsch verstehen, aber die Auswirkungen aufs operative Geschäft waren eher gering.«
»Ich verstehe. Das kenne ich, die eigentliche Arbeit wird nicht unbedingt vom Leiter gemacht. Dann war es wirklich gut für Ihre Mitarbeiter, dass Sie der Nachfolger geworden sind. Ich habe schon zu oft erlebt, dass in solchen Fällen jemand Neues geholt wird, der aus reiner Profilierungssucht ein wahres Durcheinander anrichtet.«
Dirks offene Worte beruhigten Fehling weiter, und er schien allmählich Vertrauen zu fassen. »Das war auch eine meiner Befürchtungen«, gab Fehling zu und legte die Stirn in traurige Dackelfalten. »Ehrlich gesagt hatte ich mir nach der Pensionierung von Frau Kiebigs Vorgänger bereits Hoffnung auf den Leitungsposten gemacht, aber einer der Eigentümer hat sie auf die Position gehievt. Dagegen kam ich nicht an. So schön es auch war, den Posten nun doch noch zu bekommen, hatte ich wegen der Umstände doch ein schlechtes Gewissen.«
Dirk nickte mitfühlend. »Das kann ich gut verstehen. Wenn Sie von den Eigentümern sprechen, habe ich dazu noch eine Frage: Wer steckt eigentlich hinter dieser Holding, die die Mehrheit der Anteile an
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hält?«
Eine Antwort würde ihm einige Stunden Recherche ersparen, aber Fehling hob bedauernd eine Schulter. »Kann ich Ihnen auch nicht sicher sagen. Alter Hamburger Geldadel, heißt es, aber Namen kenne ich keine. Vermutlich möchte dort jemand nicht mit einer chemischen Fabrik in
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