Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
Nashua. Ich bin an der UNH aufs College gegangen und dann auf die juristische Fakultät der University of Maine. Einmal im Monat berate ich kostenlos Leute, die sich keinen juristischen Beistand leisten können. Ich bin unverheiratet, hoffe aber, dass sich das eines Tages ändert. Ich fahre gerne Kajak, lese, wann immer ich kann, und esse alles, wo Schokolade dran ist.
Viele Jahre lang wollte ich nicht nach dir suchen, weil ich nicht in dein Leben eindringen oder es gar schwerer machen wollte. Dann hatte ich ein medizinisches Problem und erkannte, dass ich viel zu wenig von meinem Ursprung weiß. Aus diesem Grund würde ich mich gerne mit dir treffen und mich persönlich bei dir bedanken – weil du mir die Möglichkeit gegeben hast, die Frau zu werden, die ich heute bin. Aber ich werde auch respektieren, wenn du mich noch nicht oder vielleicht nie sehen willst.
Ich habe diesen Brief immer wieder neu geschrieben, ihn immer wieder gelesen. Er ist nicht perfekt, und das bin ich auch nicht. Aber nun habe ich endlich meinen Mut zusammengenommen, und ich glaube, den habe ich von dir geerbt.
Mit freundlichen Grüßen
Marin Gates
Sean
Die Jungs, die diesen Teil der Route 4 reparierten, hatten die letzten vierzig Minuten darüber debattiert, wer heißer war: Jessica Alba oder Pamela Anderson. »Jessica ist hundert Prozent echt«, sagte einer. Er trug fingerlose Handschuhe, und ihm fehlten etwa zwei Drittel seiner Zähne. »Keine Implantate.«
»Als wenn du das wüsstest«, sagte der Vorarbeiter.
Ein Stück weiter die Straße hinunter hielt ein Straßenarbeiter den Autofahrern ein »Langsam«-Schild entgegen, und das hätte genauso gut als Selbstbeschreibung gepasst. »Pam hat 36 DDD , 22, 34«, sagte der Vorarbeiter. »Weißt du, wer sonst noch solche Maße hat? Eine Barbiepuppe.«
Eingepackt in meine Wintersachen, lehnte ich an der Motorhaube meines Streifenwagens und versuchte, so zu tun, als sei ich stocktaub. Baustellenaufsicht war der Teil von meinem Job, den ich am wenigsten mochte, aber er war ein notwendiges Übel. Ohne mein Blaulicht stieg die Wahrscheinlichkeit dramatisch, dass irgendein Idiot in die Arbeiter raste. Einer der Kollegen kam näher, und sein Atem bildete weiße Wölkchen in der Luft. »Ich würde keine von beiden von der Bettkante stoßen«, sagte er zu mir. »Beide gleichzeitig wäre natürlich am besten.«
Weißt du, was komisch ist? Wenn du diese Jungs nach mir fragst, werden sie dir sagen, ich sei ein harter Kerl. Meine Dienstmarke und meine Glock reichten aus, um mir ihren Respekt zu sichern. Sie taten, was ich ihnen sagte, und sie erwarteten, dass auch die Autofahrer meinen Anweisungen Folge leisteten. Sie wussten nicht, dass ich in Wahrheit ein Feigling von der schlimmsten Sorte war. Auf der Arbeit konnte ich Befehle brüllen, Verbrechern Handschellen anlegen oder den starken Mann markieren; daheim jedoch hatte ich mich davongestohlen, bevor jemand aufwachen konnte. Ich war von Charlottes Klage abgesprungen und hatte noch nicht einmal den Mut gehabt, ihr das zu sagen.
Im Vorfeld hatte ich nächtelang wach gelegen und versucht, mir einzureden, wie mutig das doch war – dass ich versuchen würde, einen Mittelweg zu finden, damit du dir sicher sein konntest, geliebt zu werden. Aber die Wahrheit war, ich hatte auch etwas davon. Ich wurde wieder zu einem Helden, anstatt zu einem Kerl, der nicht für die eigene Familie sorgen konnte.
»Für wen stimmst du, Sean?«, fragte der Vorarbeiter.
»Ich will euch nicht den Spaß verderben«, erwiderte ich diplomatisch.
»Oh, stimmt ja. Du bist verheiratet. Da darf man nicht mehr gucken, noch nicht einmal auf Google …«
Ich ignorierte ihn und trat ein paar Schritte vor, als ein Wagen vor der Baustelle beschleunigte, anstatt langsamer zu werden. Ich würde nur auf den Fahrer zeigen müssen, damit er den Fuß vom Gas nahm. So einfach war das. Die Angst vor einer schriftlichen Verwarnung reichte schon aus. Aber dieser Fahrer wurde nicht langsamer, und als der Wagen schließlich mit kreischenden Bremsen anhielt, erkannte ich zwei Dinge: erstens, am Steuer saß eine Frau, und zweitens, es war das Auto meiner Frau.
Charlotte stieg aus dem Van und knallte die Tür zu. »Du verdammter Hurensohn«, keifte sie und stapfte auf mich zu, um mich zu schlagen.
Ich packte ihre Arme. Sie hatte nicht nur den Verkehr zum Erliegen gebracht, sondern auch die Arbeit auf der Baustelle. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. »Tut mir leid«, murmelte ich. »Ich
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