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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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musste das tun.«
    »Hast du etwa geglaubt, bis zum Prozess würde das ein Geheimnis bleiben?«, schrie Charlotte. »Und ich würde dann erst herausfinden, dass mein Mann ein Lügner ist?«
    » Wer von uns ist hier der Lügner?«, erwiderte ich in ungläubigem Ton. »Bitte entschuldige, dass ich mich nicht für Geld prostituieren will.«
    Charlotte lief knallrot an. »Bitte entschuldige , dass ich meine Tochter nicht leiden lassen will, nur weil wir pleite sind.«
    In dem Augenblick fielen mir ein paar Dinge auf: dass das rechte Rücklicht von Charlottes Van kaputt war, dass sie einen Verband um den Finger trug und dass es wieder zu schneien begonnen hatte. »Wo sind die Mädchen?«, fragte ich und versuchte, durch die abgedunkelten Scheiben des Vans zu schauen.
    »Du hast kein Recht, das zu fragen«, sagte sie. »Dieses Recht hast du aufgegeben, als du in die Kanzlei gegangen bist.«
    »Wo sind die Mädchen, Charlotte?«, verlangte ich zu wissen.
    »Zu Hause.« Sie trat von mir weg, und ihre Augen glitzerten vor Tränen. »Und das heißt, an einem Ort, an dem ich dich nie wieder sehen will.«
    Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging zum Wagen zurück. Bevor sie jedoch die Tür öffnen konnte, versperrte ich ihr den Weg. »Wieso kannst du das denn nicht verstehen?«, flüsterte ich. »Bevor du damit angefangen hast, war alles in Ordnung mit unserer Familie. Wir hatten ein ordentliches Haus …«
    »Mit Löchern im Dach …«
    »Ich habe einen festen Job …«
    »Der nichts einbringt …«
    »Und deine Kinder hatten ein fröhliches Leben«, beendete ich meine Auflistung.
    »Was weißt du denn schon darüber?«, erwiderte Charlotte. »Du bist nicht bei Willow, wenn wir jeden Tag am Spielplatz vorbeikommen, wo andere Kinder tun, was sie nie wird tun können – einfache Dinge, wie von der Schaukel springen oder Fußball spielen. Sie hat die DVD mit dem Zauberer von Oz weggeworfen, hast du das gewusst? Sie lag im Küchenmüll, weil irgendein furchtbares Kind in der Schule sie ›Munchkin‹ genannt hat.«
    Am liebsten hätte ich dem kleinen Scheißer die Lichter ausgeblasen – auch wenn er erst sechs Jahre alt war. »Das hat sie mir nicht erzählt.«
    »Weil sie nicht wollte, dass du ihre Kämpfe für sie austrägst«, sagte Charlotte.
    »Warum machst du das dann?«, fragte ich herausfordernd.
    Charlotte zögerte; ich hatte einen wunden Punkt getroffen. »Du kannst dir ja selbst etwas vormachen, Sean, mir aber nicht. Mach nur, und stell mich als Hexe hin. Tu so, als wärest du der Weiße Ritter, wenn du dich damit besser fühlst. Das sieht nach außen hin gut aus, und du kannst dir sagen, dass du ja ihre Lieblingsfarbe weißt und den Namen ihres Lieblingsstofftiers und was für eine Marmelade sie auf ihrem Erdnussbutterbrot mag. Aber bilde dir bloß nicht ein zu wissen, was in ihr vorgeht. Weißt du, worüber sie auf dem Heimweg von der Schule redet? Oder worauf sie besonders stolz ist? Worüber sie sich Sorgen macht? Weißt du, warum sie letzte Nacht geweint oder warum sie sich vor einer Woche unter ihrem Bett versteckt hat? Sieh es ein, Sean. Du glaubst, du bist ihr Held, aber du weißt gar nichts über Willows Leben.«
    Ich zuckte zusammen. »Ich weiß, dass ihr Leben es wert ist, gelebt zu werden.«
    Charlotte stieß mich beiseite, stieg ein, schlug die Tür zu und fuhr davon. Ich hörte das wilde Hupen der Autos, die hinter Charlottes Van in der Schlange standen. Dann drehte ich mich um und sah, dass der Vorarbeiter mich anstarrte. »Weißt du was«, sagte er, »du kannst Jessica und Pam haben.«
    An diesem Abend fuhr ich nach Massachusetts. Ich hatte kein konkretes Ziel im Sinn, sondern bog willkürlich ab und fuhr durch Wohnviertel, in denen schon alles ruhig war. Ich schaltete meine Scheinwerfer aus und zog durch die Straßen wie ein Hai durchs Meer. Man kann viel über eine Familie anhand des Hauses sagen, in dem sie lebt: Plastikspielsachen verraten das Alter der Kinder; eine weihnachtliche Leuchtkette kündet von ihrer Religion, und die Art der Autos in den Einfahrten sagt einem, ob da eine Soccer-Mom, ein NASCAR -Fan oder ein Teenager mit seinem ersten Wagen wohnt. Aber selbst bei den unscheinbaren Häusern fiel es mir nicht schwer, mir die Leute darin vorzustellen. Ich schloss die Augen und sah den Vater am Tisch, wie er seine Töchter zum Lachen brachte. Eine Mutter räumte das Geschirr ab, aber nicht ohne im Vorbeigehen die Schulter ihres Mannes zu berühren. Ich sah ein Regal voller

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