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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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hinterlassen?«, fragte Amelia.
    Nun, ich konnte ihr ja wohl kaum sagen, dass ihr Vater jetzt ein Zeuge der Verteidigung war. »Ich hatte gehofft, persönlich mit deiner Mutter sprechen zu können.«
    Amelia zuckte mit den Schultern. »Wir dürfen keine Fremden reinlassen.«
    »Sie ist keine Fremde«, hast du gesagt, und du hast die Hand ausgestreckt und mich über die Schwelle gezogen.
    Ich hatte nicht viel Erfahrung mit Kindern, und wenn ich so weitermachte, würde ich auch nie welche bekommen; aber deine Hand in meiner, das hatte etwas. Sie war weich wie eine Hasenpfote und brachte vermutlich genauso viel Glück. Ich ließ mich zur Wohnzimmercouch führen und schaute mich um. Da war der maschinengewebte Orientteppich, Staub auf dem Fernseher und neben dem Kamin stapelten sich alte Spieleboxen. Monopoly war offenbar das Spiel der Stunde. Es lag auf dem Couchtisch ausgebreitet. »Sie können für mich übernehmen«, sagte Amelia und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich bin ohnehin mehr Kommunistin als Kapitalistin.«
    Sie verschwand die Treppe hinauf, und ich starrte aufs Spielbrett. »Wissen Sie, auf welcher Straße man am häufigsten landet?«, hast du gefragt.
    »Äh …« Ich setzte mich. »Sollte das nicht gleich verteilt sein?«
    »Nicht mit den Ereigniskarten. Es ist die Illinois Avenue.«
    Ich schaute aufs Brett. Du hattest drei Hotels auf der Illinois Avenue gebaut.
    Und Amelia hatte mir sechzig Dollar hinterlassen.
    »Woher weißt du das?«, fragte ich.
    »Ich lese. Und ich mag es, Dinge zu lesen, die sonst niemand weiß.«
    Ich wette, das war eine Menge. Ich fand es ein wenig unangenehm, mit einer fast Sechsjährigen am Tisch zu sitzen, deren Vokabular nicht viel schlechter war als meins. »Erzähl mir etwas, das ich nicht weiß«, forderte ich dich auf.
    »Dr. Seuss hat das Wort Nerd erfunden.«
    Ich lachte laut. »Wirklich?«
    Du hast genickt. »In Wenn ich den Zoo leiten würde . Das ist aber nicht so gut wie Grüne Eier und Schinken . Was eigentlich für Babys ist«, hast du gesagt. »Ich mag Harper Lee lieber.«
    »Harper Lee?«, wiederholte ich.
    »Ja. Haben Sie mal Wer die Nachtigall stört gelesen?«
    »Sicher. Ich kann nur nicht glauben, dass du es gelesen hast.« Das war mein erstes Gespräch mit dem kleinen Mädchen, das bei diesem Prozess im Auge des Sturms sein würde, und mir wurde etwas Bemerkenswertes klar: Ich mochte dich. Ich mochte dich sogar sehr. Du warst ungekünstelt, lustig und klug; nur deine Knochen brachen dann und wann einmal. Es gefiel mir, wie du deine Krankheit als das Unwichtigste an dir abgetan hast … und deine Mutter war mir beinahe zuwider, weil sie sie so in den Vordergrund rückte.
    »Wie auch immer … Amelia war dran, und das heißt, Sie müssen würfeln«, hast du gesagt.
    Ich schaute auf das Brett. »Weißt du was? Ich kann Monopoly nicht ausstehen.« Das stimmte. Mein Cousin hatte als Kind immer Geld unterschlagen, wenn er die Bank gehabt hatte.
    »Möchten Sie etwas anderes spielen?«
    Ich drehte mich zum Kamin um, neben dem sich die Spielsachen stapelten, und entdeckte ein Puppenhaus. Es war eine Miniatur eures eigenen Hauses, mitsamt den schwarzen Fensterläden und der roten Tür. Es hatte sogar Blumenbeete und Teppiche. »Wow«, sagte ich und berührte ehrfürchtig die Schindeln. »Das ist ja fantastisch.«
    »Mein Dad hat es gemacht.«
    Ich hob das Haus hoch und stellte es auf das Monopolybrett. »Ich hatte auch mal eines.«
    Es war mein Lieblingsspielzeug gewesen. Ich erinnerte mich an rote Samtsessel im Wohnzimmer und an ein altmodisches Klavier, das sogar Musik spielen konnte, wenn man es aufzog. Die Badewanne hatte Füße gehabt, und die Tapeten waren bunt gestreift gewesen. Es hatte absolut viktorianisch ausgesehen, ganz anders als das moderne Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Ich spielte damals immer, das Haus stünde in einem Paralleluniversum und ich hätte darin gelebt, wenn meine Mutter mich nicht weggegeben hätte.
    »Schauen Sie mal«, hast du gesagt und mir gezeigt, dass sich der kleine Toilettensitz hochklappen ließ. Ich fragte mich, ob die Puppenmänner auch vergaßen, ihn wieder runterzuklappen.
    Im Kühlschrank lagen kleine Holzsteaks, Milchflaschen und ein winziger Eierkarton. Ich hob den Deckel eines kleinen Flechtkorbs hoch und fand darin Splitter von Nähnadeln und eine Garnrolle.
    »Da leben die Schwestern«, hast du gesagt und die Matratzen auf zwei Messingbettgestelle im oberen Stock gelegt. »Und da schläft die Mom.«

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