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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Pyjamaparty rüberkommen oder Ihnen die Haare flechten. Wenn die Welt so wäre, wie Sie sie haben wollen, Charlotte – eine Welt, in der Kinder einfach weggeworfen werden können, wenn sie nicht so sind, wie die Frau sie sich gewünscht hat –, dann wäre ich jetzt nicht Ihre Anwältin.«
    »Ich liebe Willow«, sagte ich und schluckte. »Ich will nur das Beste für sie. Und das machen Sie mir jetzt zum Vorwurf?«
    »Ja«, gab Marin zu. »Genauso, wie ich es meiner Mutter zum Vorwurf mache, dass sie nur das Beste für mich wollte.«
    Nachdem Marin wieder in ihrem Büro verschwunden war, stand ich für ein paar Augenblicke auf dem Gang und lehnte mich an die Wand, um nicht umzufallen. Das Problem mit dieser Klage war, dass sie nicht im Vakuum stattfand. Man konnte sie theoretisch betrachten und denken: Hm, ja, das ist absolut vernünftig ; aber in solcher Abschottung keimten keine echten Gedanken. Wenn jemand einen Zeitungsartikel über meine Klage gegen Piper las, wenn er Ein Tag im Leben von Willow sah, dann tat er das mit seiner eigenen Moral im Hinterkopf, seiner eigenen Geschichte.
    Deshalb musste Marin ihre Wut herunterschlucken, solange sie an meinem Fall arbeitete.
    Deshalb konnte Sean meine Argumente nicht verstehen.
    Und deshalb hatte ich auch so große Angst, dass du mich eines Tages hassen würdest, wenn du an diese Zeit zurückdenken würdest.
    Wal-Mart wurde zu meinem Spielplatz.
    Ich wanderte zwischen den Regalen hindurch, probierte Hüte und Schuhe an, betrachtete mich im Spiegel und stapelte Rubbermaid-Eimer ineinander. Ich strampelte auf einem Heimtrainer, drückte Knöpfe von sprechenden Puppen und hörte in CD s rein. Ich konnte es mir nicht leisten, irgendetwas zu kaufen, aber ich konnte stundenlang schauen.
    Ich wusste nicht, wie ich euch Kinder allein durchbringen sollte. Ich würde Unterhalt bekommen, klar, aber ich hatte keine Ahnung, wie viel das sein würde. Doch wenn ich wollte, dass das Gericht mich als fähiges Elternteil betrachtete, würde ich zeigen müssen, dass ich euch ernähren kann.
    Ich konnte backen.
    Der Gedanke drängte sich mir auf und ließ sich nicht mehr beiseiteschieben. Niemand konnte sich seinen Lebensunterhalt mit Gebäck aus häuslicher Herstellung verdienen, wandte ich im Geiste ein. Sicher, ich hatte nun schon ein paar Monate lang mein Gebäck verkauft, sogar die Aufmerksamkeit einer Tankstellenkette erregt und genug Geld damit gemacht, um nach Omaha auf den OI -Kongress zu fliegen. Aber ich konnte nicht für ein Restaurant arbeiten oder meinen Markt erweitern. Denn du konntest jederzeit stürzen, und dann müsste ich zur Stelle sein.
    »Ziemlich cool, nicht wahr?«
    Ich drehte mich um und sah einen Wal-Mart-Angestellten neben mir stehen. Er schaute zu einem Trampolin, das man aufrecht an die Wand gestellt hatte, um die Größe zu verdeutlichen. Er schien etwa zwanzig zu sein, und er litt unter einer derart starken Akne, dass sein Gesicht wie eine beulige Tomate aussah. »Als ich noch ein Kind war, habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht als ein Trampolin.«
    Als er noch ein Kind war? Er war noch ein Kind. Er hatte noch ein ganzes Leben lang Zeit, Fehler zu begehen.
    »Sie haben also Kinder, die gerne hüpfen, ja?«, fragte er.
    Ich versuchte, mir dich auf diesem Trampolin vorzustellen. Dein Haar würde hinter dir flattern, und du würdest Saltos schlagen, ohne dir die Knochen zu brechen. Ich schaute auf das Preisschild, als würde ich wirklich über einen Kauf nachdenken. »Es ist ziemlich teuer«, sagte ich. »Ich denke, ich werde mich noch ein wenig umschauen, bevor ich mich entscheide.«
    »Kein Problem«, sagte der junge Mann und schlenderte davon. Ich strich mit der Hand über Regale voller Tennisschläger und Skateboards und roch den beißenden Geruch der Fahrradreifen, die von der Decke hingen. Und die ganze Zeit über stellte ich mir dich als gesundes, hüpfendes Mädchen vor, das du nie sein würdest.
    Die Kirche, in die ich später ging, war nicht meine. Sie lag dreißig Meilen weiter nördlich in einer Stadt, die ich bis dato nur vom Abfahrtsschild her gekannt hatte. Es roch überwältigend nach Bienenwachs, und die Morgenmesse war gerade erst vorbei, sodass noch ein paar Gemeindemitglieder stumm in den Kirchenbänken beteten. Ich setzte mich, murmelte das Vaterunser vor mich hin und schaute zum Kreuz über dem Altar. Mein ganzes Leben lang hatte man mir gesagt, sollte ich je von einer Klippe stürzen, wäre Gott zur Stelle, um mich aufzufangen.

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