Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
mir wieder einen Job gesucht.«
So weit, so gut – eine Frau, für die ihre Kinder an erster Stelle kamen. Ich überflog noch einmal ihren Fragebogen. »Hier steht, dass Sie schon einmal eine Klage eingereicht haben.«
Ich hatte nichts weiter getan, als eine Tatsache laut auszusprechen, die sie im Fragebogen selbst bestätigt hatte, doch Juliet Cooper sah aus, als hätte ich sie ins Gesicht geschlagen. »Ja.«
Der Unterschied zwischen Zeugenbefragungen und der Auswahl von Geschworenen bestand darin, dass man bei Ersteren nur Fragen stellte, auf die man die Antworten kannte. Bei Geschworenen kam es darauf an, Neues herauszufinden und nachzuhaken, um möglichst keine böse Überraschung zu erleben. Was wäre zum Beispiel, wenn Juliet Cooper schon einmal einen Arzt verklagt hatte, und es war schlecht für sie gelaufen?
»Könnten Sie das ein wenig erläutern?«, drängte ich.
»Es ist nicht zur Verhandlung gekommen«, murmelte sie. »Ich habe die Klage wieder zurückgezogen.«
»Wäre es ein Problem für Sie, jemandem unvoreingenommen gegenüberzustehen, der eine Klage vor Gericht bringt?«
»Nein«, antwortete Juliet Cooper. »Ich würde mir nur denken, dass er tapferer ist als ich.«
Nun, das sah gut aus für Charlotte. Ich setzte mich und ließ Guy seine Fragen stellen. »Mrs. Cooper, Sie haben einen Neffen erwähnt, der an den Rollstuhl gefesselt ist.«
»Er hat im Irak gedient und beide Beine bei der Explosion einer Autobombe verloren. Er ist erst dreiundzwanzig; es ist furchtbar für ihn.« Sie schaute zu Charlotte. »Ich glaube, es gibt Tragödien, die man nicht überwinden kann. Hinterher ist das Leben nie wieder dasselbe.«
Ich liebte diese Geschworene. Am liebsten hätte ich sie geklont.
Ich fragte mich, ob Guy sie wohl streichen lassen würde. Es bestand jedoch durchaus die Möglichkeit, dass er ebenfalls glaubte, eine Verbindung zu Behinderungen könne für ihn vorteilhaft sein. Dabei hatte ich zunächst geglaubt, Mütter mit behinderten Kindern würden ein großes Problem für Charlotte darstellen; inzwischen hatte ich diese Einschätzung jedoch noch einmal überdacht. Ungewollte Geburt konnte für so jemanden schrecklich beleidigend sein – und Guy würde den Begriff im Gerichtssaal dauernd fallen lassen. Von meinem Standpunkt aus war der bessere Geschworene jemand, der entweder Mitgefühl, aber keine Erfahrung mit Behinderten hatte, oder jemand wie Juliet Cooper, der genug über Behinderungen wusste, um zu verstehen, wie anstrengend dein Leben bis jetzt gewesen war.
»Mrs. Cooper«, sagte Guy, »zu der Frage nach ihren religiösen oder persönlichen Ansichten in Bezug auf Abtreibungen haben Sie etwas geschrieben und dann wieder durchgestrichen. Ich kann es nicht mehr richtig lesen.«
»Ich weiß«, antwortete sie. »Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.«
»Es ist ja auch eine ziemlich schwierige Frage«, gab Guy zu. »Verstehen Sie, dass die Entscheidung zur Abtreibung eines Fötus ein zentraler Punkt für die Urteilsfindung in diesem Fall ist?«
»Ja.«
»Hatten Sie je eine Abtreibung?«
»Einspruch!«, rief ich. »Das ist ein Verstoß gegen die geltenden gesetzlichen Bestimmungen zur Anonymität in solchen Fällen, Euer Ehren!«
»Mr. Booker«, sagte der Richter, »was zum Teufel glauben Sie, was Sie da tun?«
»Meinen Job, Euer Ehren. In diesem Fall sind die religiösen Überzeugungen eines Geschworenen von entscheidender Bedeutung.«
Ich wusste genau, was Guy da tat: Für eine zuverlässige Einschätzung riskierte er es lieber, die Geschworene zu verärgern, als später durch sie den Prozess zu verlieren. An seiner Stelle hätte ich vermutlich die gleiche strittige Frage gestellt. Ich war nur froh, dass Guy das gemacht hatte, denn so konnte ich die milde Befragerin spielen. »Was Mrs. Cooper in der Vergangenheit getan hat oder nicht, ist nicht Teil dieses Verfahrens«, erklärte ich und drehte mich zu den Geschworenen um. »Bitte entschuldigen Sie, dass mein Kollege so unverfroren in Ihre Privatsphäre eingedrungen ist. Mr. Booker hat wohl vergessen, dass es in diesem Fall nicht um das Recht auf Abtreibung in Amerika geht, sondern schlicht um einen Kunstfehler.«
Als Verteidiger der Beklagten würde Guy Booker viel Lärm um nichts machen, um den Eindruck zu erwecken, dass Piper Reece keinerlei Fehler begangen hatte. Er würde erklären, dass man OI nicht eindeutig in utero diagnostizieren könne; dass man niemandem vorwerfen könne, etwas nicht zu sehen, was
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