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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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stimmt’s? Nicht so einen Kerl, der sich gleich das Bein bricht, wenn er sich am Tisch stößt.«
    Jetzt weinte ich. »Das ist egal …«
    »Nein, ist es nicht, Amelia. Aber du verstehst das nicht. Du wirst das nie verstehen. Eine Schwester mit OI macht dich noch lange nicht zur Expertin.«
    Mein Gesicht brannte. Ich legte auf, bevor Adam noch etwas sagen konnte, und presste die Hände auf die Wangen. »Aber ich liebe dich«, sagte ich, obwohl er mich nicht mehr hören konnte.
    Zuerst kamen die Tränen. Dann die Wut. Ich nahm das Telefon und warf es gegen die Badezimmerwand. Ich riss den Duschvorhang mit einem Ruck herunter.
    Aber ich war nicht wütend auf Adam; ich war wütend auf mich selbst.
    Einen Fehler zu machen war eine Sache; ihn immer wieder zu begehen eine ganz andere. Ich wusste, was passierte, wenn man jemanden zu nahe an sich heranließ, bis man glaubte, geliebt zu werden: Man wurde enttäuscht. Verlass dich auf jemanden, und du wirst ins Gesicht geschlagen. Denn wenn du ihn brauchst, ist er nicht mehr da. Entweder das, oder man vertraute sich jemandem an und vergrößerte dessen Probleme noch. Man hatte nur sich selbst, und wenn man selbst nicht zuverlässig war, war das ziemlich scheiße.
    Hätte ich Adam nicht wirklich gemocht, sagte ich mir, dann hätte das nicht so wehgetan. Das bewies doch ein für alle Mal, dass ich lebte, dass ich ein Mensch war. Aber der Gedanke war keine Erleichterung – nicht wenn man sich fühlte, als wäre man ein Wolkenkratzer mit Sprengstoff in jedem Stock.
    Deshalb drehte ich das Wasser in der Badewanne auf: damit es mein Flennen übertönte und damit keiner das Lied meiner Schande hörte, wenn ich mir gleich die Rasierklinge über die Haut zog wie ein Geiger den Bogen über seine Violine.
    Vergangenen Sommer war meiner Mutter der Zucker ausgegangen, und sie ist mitten beim Backen zum Laden gefahren und hat uns beide für zwanzig Minuten alleine gelassen – was eigentlich nicht sonderlich lang ist, sollte man meinen. Aber die Zeit reichte, um einen Streit mit dir darüber anzufangen, was wir uns im Fernsehen anschauen sollten. Sie reichte, um schließlich zu schreien: Es gibt einen Grund, warum Mom sich wünscht, du wärst tot. Sie reichte, um dein Gesicht in sich zusammenfallen zu sehen und mein Gewissen zu wecken.
    »Wiki«, sagte ich, »ich habe das nicht so gemeint.«
    »Halt einfach den Mund, Amelia.«
    »Sei doch nicht so ein Baby …«
    »Dann hör du auf, so ein Arschloch zu sein!«
    So ein Ausdruck aus deinem Munde … ich war platt. »Wo hast du das denn her?«
    »Von dir, du dumme Nuss«, hast du gesagt.
    Just in diesem Augenblick prallte ein Vogel gegen das Fenster, und wir fuhren erschrocken herum.
    »Was war das?«, hast du gefragt und dich auf die Couchkissen gestellt, um besser sehen zu können.
    Ich kletterte neben dich, ganz vorsichtig wie immer. Der Vogel war klein und braun, eine Schwalbe oder ein Spatz; ich habe die beiden nie auseinanderhalten können. Er lag mit ausgebreiteten Flügeln im Gras.
    »Ist er tot?«, hast du gefragt.
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Denkst du nicht, wir sollten mal nachsehen?«
    Also gingen wir raus und halb ums Haus herum. Große Überraschung: Der Vogel lag noch da, wo wir ihn gesehen hatten. Ich hockte mich hin und versuchte zu erkennen, ob seine Brust sich bewegte.
    Nada.
    »Wir müssen ihn begraben«, hast du in feierlichem Ernst erklärt. »Wir können ihn nicht einfach hier liegen lassen.«
    »Warum nicht? In der Natur stirbt ständig irgendwas …«
    »Aber das hier war unsere Schuld. Der Vogel hat uns vermutlich brüllen hören und ist deshalb zum Fenster geflogen.«
    Ich bezweifelte stark, dass der Vogel uns überhaupt gehört hatte, aber ich wollte mich nicht mit dir darüber streiten.
    »Wo ist die Schaufel?«, hast du gefragt.
    »Ich weiß es nicht.« Ich dachte kurz nach. »Warte mal«, sagte ich und lief wieder ins Haus zurück. Ich nahm den großen Kochlöffel aus Moms Schüssel und brachte ihn hinaus. Es war Teig daran, aber das war vermutlich okay. Die Ägypter hatten ihre Mumien ja auch mit Essen, Gold und Haustieren ins Jenseits geschickt.
    Gut sechs Zoll von dem Vogel entfernt grub ich ein Loch. Ich wollte das Tier nicht berühren – das war mir viel zu ekelig –, also beförderte ich ihn mit dem Löffel in sein Grab. »Und was jetzt?«, fragte ich und sah dich an.
    »Jetzt müssen wir ein Gebet sprechen«, hast du gesagt.
    »Wie ›Gegrüßet seist du, Maria‹? Woher willst du

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