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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wenn er es nur gut gemeint hatte?
    Ich hatte die Scheidung eingereicht, aber das war es nicht, was ich wirklich wollte. Was ich wirklich wollte, war, die Uhr zwei Jahre zurückzudrehen und noch einmal von vorne anzufangen.
    Hatte ich ihr das eigentlich je gesagt?
    Ich warf die Decke beiseite, setzte mich auf und rieb mir das Gesicht. Ich trug nur meine Boxershorts und ein Polizei-T-Shirt. Ich stapfte die Treppe hinauf und schlüpfte in unser Schlafzimmer. Ich setzte mich aufs Bett. »Charlotte«, flüsterte ich, erhielt aber keine Antwort.
    Ich berührte das Deckenbündel, musste aber erkennen, dass nur ein Kissen darunterlag. »Charlotte?«, sagte ich laut. Die Badezimmertür stand weit offen. Ich schaltete das Licht ein, aber sie war nicht drinnen. Allmählich machte ich mir Sorgen. War sie wegen des Prozesses genauso außer sich wie ich? Schlafwandelte sie etwa? Ich ging in den Flur hinunter und schaute im unteren Badezimmer nach, im Gästezimmer und sogar auf dem Dachboden.
    Die letzte Tür war dein Zimmer. Ich trat ein und sah sie sofort. Charlotte hatte sich auf deinem Bett zusammengerollt und den Arm um dich geschlungen. Selbst im Schlaf wollte sie dich nicht loslassen.
    Ich berührte dein Haar und dann das deiner Mutter. Ich streichelte Amelia über die Wange. Und dann legte ich mich auf den Läufer neben dem Bett und nahm meinen Arm als Kopfkissen. Und weißt du was? Als wir alle wieder zusammen waren, schlief ich in wenigen Minuten ein.

Marin
    »Wissen Sie, worum es hier geht?«, fragte ich, als ich neben Guy Booker durch den Gerichtsflur eilte.
    »Ich bin genauso schlau wie Sie«, erwiderte er.
    Wir waren vor Beginn des zweiten Verhandlungstages zum Richter gerufen worden. So früh im Prozess zum Richter gerufen zu werden war für gewöhnlich kein gutes Zeichen – besonders nicht, wenn auch Guy Booker keine Ahnung hatte, worum es ging.
    Wir fanden Richter Gellar an seinem Schreibtisch. Sein viel zu schwarzes Haar sah wie ein Helm aus. Es erinnerte mich an diese alten Superman -Actionfiguren, bei denen sich das Cape nie wirklich bewegt hat, und das wiederum lenkte mich so sehr ab, dass ich die zweite Person im Raum zunächst gar nicht bemerkte. Sie saß mit dem Rücken zu uns.
    »Miss Gates, Mr. Booker«, sagte Richter Gellar, »Sie kennen ja Juliet Cooper, Geschworene Nummer sechs.«
    Die Frau drehte sich um. Sie war diejenige, die Guy während der Geschworenenauswahl so eingehend zum Thema Abtreibung befragt hatte. Vielleicht hatte sie sich beschwert, weil der Anwalt der Verteidigung Charlotte gestern mit Fragen zum gleichen Thema bombardiert hatte. Ich straffte die Schultern in der festen Annahme, dass dieses Meeting weniger mit mir als vielmehr mit Guy Bookers fragwürdiger Auslegung der Prozessordnung zu tun hatte.
    »Mrs. Cooper wird die Jury verlassen. Mit sofortiger Wirkung wird ein Ersatzmann ihren Platz einnehmen.«
    Kein Anwalt mag es, wenn die Jury mitten in einem Prozess verändert wird, aber ein Richter auch nicht. Wenn diese Frau gehen durfte, dann musste sie einen wirklich guten Grund dafür haben.
    Sie schaute nur Guy Booker an, mich nicht. »Tut mir leid«, murmelte sie. »Ich wusste nicht, dass es da einen Interessenkonflikt für mich gibt.«
    Interessenkonflikt? Ich hatte angenommen, dass es sich um gesundheitliche Gründe handelte oder um einen Notfall innerhalb der Familie. Ein Interessenkonflikt hieß, dass sie etwas über meine oder Guys Klientin wusste … aber das musste sie doch schon während der Vorverhandlung gewusst haben.
    Offensichtlich dachte Guy Booker ähnlich. »Dürfen wir erfahren, um was für einen Konflikt es sich dabei handelt?«
    »Miss Cooper ist mit einer der Parteien in diesem Fall verwandt«, sagte Richter Gellar und schaute mir in die Augen. »Mit Ihnen, Miss Gates.«
    Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich meine biologische Mutter irgendwo sehen würde, ohne es zu wissen. Ich lächelte die Dame an der Kinokasse ein wenig länger an als üblich; ich plauderte mit der Bankangestellten über das Wetter. Ich hörte die kultivierte Stimme der Empfangsdame einer Konkurrenzkanzlei und stellte mir vor, sie sei es; ich stieß mit einer Dame im Kaschmirmantel zusammen und starrte ihr ins Gesicht, wenn ich mich entschuldigte. Es gab viele Menschen, die meinen Weg kreuzten und die meine Mutter hätten sein können. Ich konnte jeden Tag ein Dutzend Mal mit ihr zusammentreffen, ohne es zu wissen.
    Und nun saß sie mir gegenüber in Richter Gellars Büro.
    Er und Guy

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