Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
»Was ist mit den Statistiken, die sagen, dass die Erziehung eines behinderten Kindes eine große Belastung für die Ehe darstellt?«
»Das ist sie in der Tat. Aber es gibt auch Statistiken, die sagen, dass die Erziehung eines Wunderkinds oder eines künftigen Spitzensportlers eine Belastung ist, und Sie haben mit Sicherheit noch nie gehört, dass Ärzte in solchen Fällen zum Schwangerschaftsabbruch geraten haben.«
Ich fragte mich, wer die Kavallerie gerufen hatte – Guy Booker, ohne Zweifel. Da es bei diesem Prozess technisch gesehen um einen Kunstfehler ging, hatte er keinen zweiten Anwalt aus einer anderen Kanzlei hinzuziehen wollen; dafür hatte er nun diese kleine Pressekonferenz improvisiert, um seine Gewinnchancen zu verbessern.
»Lou«, fragte ein anderer Reporter, »werden Sie aussagen?«
»Genau das mache ich gerade vor Ihnen allen«, predigte St. Pierre. »Und ich werde weiterreden in der Hoffnung, dass niemand mehr auf die Idee kommt, so eine Klage in unserem großartigen Staat New Hampshire einzureichen.«
Na toll. Ich würde meinen Fall wegen eines Kerls verlieren, der von der Verteidigung noch nicht einmal offiziell als Zeuge berufen worden war. Ich schlurfte zum Hausmeistereingang zurück. »Wer redet da?«, fragte der Gerichtsdiener und trat seine Zigarette aus. »Dieser Zwerg?«
»Er ist kleinwüchsig«, korrigierte ich ihn.
Der Gerichtsdiener starrte mich verständnislos an. »Habe ich das nicht gerade gesagt?«
Die Tür schloss sich hinter ihm. Ich fror, wartete aber noch ein wenig, bevor ich ihm hineinfolgte. Ich wollte nicht den ganzen Weg die Treppe hinauf Small Talk mit ihm betreiben müssen. Er hatte mir aufs Schönste verdeutlicht, an welch rutschigem Abhang Charlotte und ich uns bewegten. Wenn es akzeptabel war, einen Fötus mit OI oder Downsyndrom abzutreiben, was würde dann geschehen, sobald der medizinische Fortschritt es ermöglichte, Schönheit oder Intelligenz des Kindes zu prognostizieren? Was würden Eltern tun, die nur einen Jungen haben wollten, dann aber erfuhren, dass es ein Mädchen war? Und wer würde bestimmen, was zulässig war und was nicht? Wer würde die Grenze ziehen?
Sosehr es mich auch schmerzte, das zuzugeben, Lou St. Pierre hatte recht. Die Leute sagten immer, dass sie jedes Baby lieben würden, aber das entsprach nicht unbedingt der Wahrheit. Es musste einen Grund haben, warum blonde, blauäugige Babys den Adoptionsagenturen förmlich aus den Händen gerissen wurden, während farbige oder behinderte Kinder manchmal Jahre in Heimen verbrachten. Was die Menschen sagten und was sie taten, waren eben zweierlei.
Juliet Cooper hatte es deutlich gesagt: Manche Babys sollten besser gar nicht erst geboren werden.
Wie du.
Und ich.
Amelia
Was immer ich an Gutem erwartet hatte, die Hoffnung wurde rasch zerstört. Nachdem mein Vater mein kleines Geheimnis entdeckt und ich mich kurze Zeit in seiner Aufmerksamkeit gesonnt hatte, musste ich erkennen, dass ich mir eine neue Hölle erschaffen hatte. Ich durfte nicht zur Schule gehen, was an sich natürlich toll gewesen wäre, hätte ich stattdessen nicht im Gericht sitzen müssen, wo ich ein und dieselbe Zeitung immer wieder von vorn bis hinten las. Ich hatte geglaubt, wenn meine Eltern erkannten, was für einen Mist sie gebaut hatten, würden sie sich wieder um den Hals fallen, so wie sie es auch immer taten, wenn du dir etwas gebrochen hattest. Doch stattdessen schrien sie sich in der Krankenhauscafeteria so laut an, dass die Assistenzärzte uns anstarrten, als wären wir in einer Realityshow.
Ich durfte noch nicht einmal während der langen Mittagspause mit Mom zu dir ins Krankenhaus fahren und dachte, ich wäre jetzt offiziell zu einem schlechten Einfluss degradiert.
Deshalb war ich auch ein bisschen überrascht, als meine Mutter mit einem Schokoladenmilchshake für mich auftauchte, bevor das Gericht wieder zusammentrat. Ich saß in diesem vollkommen luftlosen Konferenzzimmer, in dem mein Vater mich gelassen hatte, während er seine Aussage mit einem dämlichen Anwalt besprach. Wie meine Mutter mich in diesem Gebäude überhaupt gefunden hatte, war mir ein Rätsel, aber als sie zur Tür hereinkam, war ich wirklich froh, sie zu sehen.
»Wie geht es Willow?«, fragte ich, weil ich a) wusste, dass sie das von mir erwartete, und b) es wirklich wissen wollte.
»Ganz gut. Der Arzt sagt, wir werden sie vielleicht schon morgen wieder mit nach Hause nehmen können.«
»Aber vergiss nicht, dass du mit kostenlosen
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