Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
fragte Guy Booker.
»Ja. Wir haben uns ein-, zweimal die Woche gesehen und jeden Tag miteinander telefoniert. Unsere Kinder haben zusammen gespielt.«
»Was für Dinge haben Sie zusammen unternommen?«
Gott, was wir unternommen hatten? Das war doch wirklich egal. Piper war die Art von Freundin gewesen, bei der ich nicht irgendwelche Lücken mit Small Talk hatte füllen müssen. Es war schon gut gewesen, einfach nur bei ihr zu sein. Sie wusste, dass ich es manchmal brauchte, mich um nichts und niemanden kümmern zu müssen und einfach nur für mich zu sein, an ihrer Seite. Ich erinnerte mich, dass wir Sean und Rob einmal gesagt haben, Piper müsse auf eine Konferenz in Boston, und ich wolle sie begleiten und darüber sprechen, wie es ist, ein Baby mit OI zu haben. In Wahrheit gab es jedoch keine Konferenz. Wir checkten in unser Hotel ein, bestellten beim Zimmerservice und schauten uns einen rührseligen Film nach dem anderen an, bis wir die Augen nicht mehr aufhalten konnten.
Piper hatte bezahlt. Sie bezahlte immer. Sie lud mich zum Mittagessen, auf einen Kaffee oder auf einen Drink bei Maxie ein. Wenn ich die Rechnung teilen wollte, brachte sie mich immer wieder dazu, meine Börse wegzustecken. Ich habe eben das Glück, es mir leisten zu können , hat sie immer gesagt, und wir beide wussten, dass ich dieses Glück nicht hatte.
»Hat die Klägerin Ihnen gegenüber je erwähnt, dass sie Ihnen die Schuld an der Geburt ihrer Tochter gibt?«
»Nein«, antwortete Piper. »Eine Woche bevor ich die Klage bekommen habe, sind wir sogar noch zusammen shoppen gegangen.«
Während Emmas und Amelias Konsumrausch hatten Piper und ich die gleiche rote Bluse anprobiert, die uns beiden – ich war verblüfft gewesen – hervorragend stand. Wir kaufen uns jeder eine , hatte Piper gesagt. Wenn wir sie zu Hause anziehen, können unsere Männer uns bestimmt nicht mehr auseinanderhalten.
»Dr. Reece«, fragte Booker, »wie hat diese Klage Ihr Leben beeinflusst?«
Piper setzte sich ein wenig auf. Der Zeugenstand war nicht sehr bequem. Man bekam Rückenschmerzen und wünschte sich, man wäre woanders. »Ich bin noch nie verklagt worden«, sagte Piper. »Das ist das erste Mal. Ich habe an mir gezweifelt, obwohl ich ganz genau weiß, dass ich nichts falsch gemacht habe. Seitdem habe ich nicht mehr praktiziert. Jedes Mal, wenn ich mich wieder in den Sattel schwingen will … Nun, ich habe es einfach nicht geschafft. Ich verstehe durchaus, dass selbst einem guten Arzt manchmal ein Fehler unterläuft – sogar ein schlimmer, den er sich nicht erklären kann.« Sie schaute mir direkt in die Augen, und mir lief ein Schauder über den Rücken. »Ich vermisse meine Arbeit in der Praxis«, sagte Piper, »aber nicht annähernd so sehr wie meine beste Freundin.«
»Marin«, flüsterte ich und beugte mich zu meiner Anwältin. »Nicht.«
»Nicht was?«
»Bitte machen Sie es für sie nicht noch schlimmer.«
Marin hob die Augenbrauen. »Das soll wohl ein Witz sein«, murmelte sie.
»Ihre Zeugin«, sagte Booker, und Marin stand auf.
»Steht es nicht im Widerspruch zur medizinischen Ethik, jemanden zu behandeln, den man auf persönlicher Ebene gut kennt?«, fragte Marin.
»Nicht in einer kleinen Stadt wie Bankton«, antwortete Piper. »Wäre das der Fall, hätte ich keine Patienten mehr gehabt. Außerdem bin ich sofort in den Hintergrund getreten, als ich die Komplikationen bemerkt habe.«
»Weil Sie wussten, dass man Ihnen die Schuld geben würde?«
»Nein. Weil es das Richtige war.«
Marin zuckte mit den Schultern. »Wenn das das Richtige war, warum haben Sie dann nicht direkt einen Spezialisten hinzugezogen, als Sie auf der Ultraschallaufnahme aus der achtzehnten Woche Probleme erkannt haben?«
»Da waren keine Probleme«, sagte Piper.
»Die Experten sehen das anders. Sie haben Dr. Thurber sagen hören, dass die Standardmaßnahme nach einer Ultraschalluntersuchung wie Charlottes mindestens eine Folgeuntersuchung gewesen wäre.«
»Das ist Dr. Thurbers Meinung. Ich sehe das anders – bei allem Respekt für den Kollegen.«
»Hm. Ich frage mich, auf wen eine Patientin wohl eher hören würde: auf einen Arzt, der auf seinem Gebiet anerkannt und vielfach ausgezeichnet ist … oder auf eine Kleinstadtgynäkologin, die seit einem Jahr noch nicht einmal in die Nähe eines Patienten gekommen ist.«
»Einspruch, Euer Ehren«, sagte Guy Booker. »Erstens war das keine Frage, zweitens muss sich meine Klientin nicht diffamieren
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