Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
Babysittern kein Glück gehabt hast«, sagte ich.
Sie schaute mich gekränkt an. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich so denke, oder?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich habe dir was mitgebracht«, sagte sie und gab mir den Milchshake.
Ich habe immer ein Faible für Schokoladen-Fribbles von Friendly’s gehabt und meine Mom immer wieder angebettelt, mir einen zu holen, obwohl die dreimal so teuer waren wie die, die wir normalerweise tranken. Manchmal sagte sie Ja, und dann teilten wir uns einen und genossen in vollen Zügen das Schokoladeneis – was du und Dad nie verstanden habt, da ihr das Pech hattet, mit einer Vorliebe für Vanille auf die Welt gekommen zu sein.
»Möchtest du was abhaben?«, fragte ich leise.
Sie schüttelte den Kopf. »Der ist nur für dich … vorausgesetzt, er kommt nicht wieder hoch.«
Verstohlen schaute ich über den Becherrand zu ihr, schwieg aber.
»Ich glaube, ich verstehe das«, sagte meine Mutter. »Ich weiß, wie es ist, wenn man etwas anfängt, und plötzlich gerät es außer Kontrolle. Und du möchtest aufhören, weil es dir wehtut und auch deiner Familie wehtut, aber jedes Mal, wenn du das versuchst, verschlingt es dich erneut.«
Ich starrte sie verblüfft an. Genau so fühlte ich mich jeden Tag in meinem Leben.
»Vor nicht allzu langer Zeit hast du mich gefragt, wie die Welt ohne Willow wäre«, sagte meine Mutter. »Ich denke mir das so: Wenn Willow nicht geboren worden wäre, dann würde ich sie jetzt in den Gängen des Supermarktes oder in der Bank, auf der Bowlingbahn suchen … Ich würde jedem Kind ins Gesicht starren und überlegen, wie sie heute aussähe. Mit Kindern ist es schon komisch … Man weiß einfach, wann eine Familie vollständig ist und wann nicht. Wenn Willow nicht geboren worden wäre, wäre die Welt für mich genau das: unvollständig.«
Ich saugte an meinem Strohhalm und versuchte, nicht zu blinzeln, weil meine Tränen dann vielleicht unauffällig wieder wegsickerten.
»Und wenn du nicht hier wärst, Amelia«, fuhr meine Mutter fort, »dann würde ich genauso empfinden.«
Ich hatte Angst, sie anzuschauen. Ich hatte Angst, dass ich sie falsch verstanden hatte. War das ihre Art, mir zu sagen, dass sie mich nicht nur liebte – auf die mütterlich selbstverständliche Art –, sondern mich auch in Ordnung fand ? Ich stellte mir vor, sie würde mich zwingen, den Deckel des Milchshakes abzunehmen, um sich zu vergewissern, dass ich auch alles getrunken hatte. Ich würde knurren, aber tief in meinem Inneren würde es mich freuen, dass sie darauf bestand. Das hieß, dass sie sich um mich sorgte; das hieß, dass sie mich nicht so einfach aufgeben würde.
»Ich habe heute im Krankenhaus ein wenig nachgeforscht«, sagte meine Mutter. »Es gibt da einen Ort in der Nähe von Boston, wo man sich um Kinder mit Essstörungen kümmert. Die haben ein Programm, für das du erst einmal dortbleiben müsstest, und wenn du so weit bist, kommst du in eine Wohngruppe von Mädchen mit den gleichen Problemen.«
Ich riss den Kopf hoch. »Dortbleiben? Das heißt, dort leben ?«
»Nur, bis sie dir geholfen haben, das in den Griff zu bekommen …«
»Du schickst mich weg?« Ich geriet in Panik. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Meine Mutter wusste doch, wie ich mich fühlte. Warum war ihr dann nicht klar, dass sie mir mit diesem Vorschlag sagte: Du wirst nie gut genug für diese Familie sein . »Wie kommt es, dass Willow sich tausend Knochen brechen kann, und trotzdem ist sie perfekt und darf zu Hause leben, und ich mache einen Fehler und werde weggeschafft?«
»Dein Vater und ich schaffen dich nicht weg«, widersprach meine Mutter. »Wir wollen dir nur helfen …«
»Er weiß davon?« Ich merkte, dass mir die Nase lief. Ich hatte auf meinen Vater gehofft, und nun musste ich herausfinden, dass er an der Verschwörung beteiligt war. Die ganze Welt hasste mich.
Plötzlich steckte Marin Gates den Kopf in den Raum. »Wir sind bereit loszulegen«, sagte sie.
»Ich brauche nur eine Minute …«
»Richter Gellar braucht Sie jetzt .«
Meine Mutter schaute mich an und flehte stumm, ihr eine Auszeit zu geben. »Du musst jetzt auch in den Gerichtssaal. Dein Dad sagt aus, und ich kann nicht hierbleiben und auf dich aufpassen.«
»Fahr zur Hölle«, sagte ich. »Du hast mir gar nichts zu sagen.«
Marin, die das alles sah, stieß einen lang gezogenen Pfiff aus. »Im Gegenteil«, erklärte sie. »Denn du bist minderjährig, und sie ist deine
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