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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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erschöpft. »Die Probleme mit deiner Tochter interessieren mich wirklich nicht.«
    Mir war kaum die Kinnlade heruntergefallen – ich war immer Charlottes Vertraute, nie ihr Punchingball gewesen –, da schüttelte sie auch schon den Kopf und entschuldigte sich. »Tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich sollte das nicht an dir auslassen.«
    »Schon okay«, sagte ich.
    Just in dem Augenblick kamen die beiden Mädchen die Treppe heruntergesprungen und huschten flüsternd und kichernd an uns vorbei. Ich legte die Hand auf Charlottes Arm. »Nur damit du es weißt«, sagte ich mit fester Stimme. »Du bist die engagierteste Mutter, die ich je getroffen habe. Du hast dein eigenes Leben aufgegeben, um für Willow zu sorgen.«
    Charlotte senkte den Kopf und nickte, bevor sie mich wieder anschaute. »Erinnerst du dich noch an ihren ersten Ultraschall?«
    Ich dachte eine Sekunde lang nach und grinste dann. »Wir haben gesehen, wie sie am Daumen genuckelt hat. Ich brauchte es dir und Sean noch nicht einmal genauer zu zeigen. Es war glasklar zu erkennen.«
    »Stimmt«, wiederholte deine Mutter. »Glasklar.«

Charlotte
    März 2007
    Was wäre, wenn es nun tatsächlich irgendjemandes Schuld war?
    Als wir die Anwaltskanzlei verließen, war der Gedanke nur ein Samenkorn, tief in mir vergraben. Doch als ich später wach neben Sean lag, hörte ich es wie Trommeln in meinem Blut: was wäre, wenn … was wäre, wenn … was wäre, wenn … Fünf Jahre lang hatte ich dich nun geliebt, hatte über dich gewacht und dich in den Armen gehalten, wenn du dir etwas gebrochen hattest. Ich hatte genau das bekommen, was ich mir gewünscht hatte: ein wunderschönes Baby. Wie konnte ich jetzt also vor irgendjemandem – und nicht zuletzt vor mir selbst – eingestehen, dass du nicht nur das Wunderbarste warst, das mir je widerfahren war … sondern auch das Anstrengendste, Kraftraubendste?
    Wenn ich hörte, wie andere sich beschwerten, ihre Kinder seien unhöflich oder mürrisch oder mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wurde ich neidisch. Denn wenn diese Kinder achtzehn wurden, wären sie selbstständige Menschen. Sie würden ihre eigenen Fehler begehen und die Verantwortung dafür tragen. Aber du warst nicht die Art von Kind, das eines Tages flügge wird. Du konntest jederzeit vom Ast fallen.
    Und was würde mit dir passieren, wenn ich nicht mehr da war, um dich aufzufangen?
    Woche folgte auf Woche, und mir wurde allmählich klar, dass man auch in der Kanzlei von Robert Ramirez von einer Frau angewidert sein würde, die insgeheim solche Gedanken hegte wie ich. So stürzte ich mich in die Aufgabe, dich glücklich zu machen. Ich spielte Scrabble, bis ich alle Zweibuchstabenwörter hintereinander aufsagen konnte. Ich schaute jede Dokumentation auf Animal Planet, bis ich die Texte mitsprechen konnte. Dein Vater war inzwischen wieder im Arbeitsalltag angekommen, und Amelia ging wieder zur Schule.
    An diesem Morgen hatten du und ich uns in das untere Badezimmer gequetscht. Ich stand dir zugewandt, hielt dich unter den Achselhöhlen und balancierte dich so über der Toilette, dass du pinkeln konntest. »Die Mülltüten«, hast du gesagt. »Sie sind im Weg.«
    Mit einer Hand zog ich die Mülltüten zurecht, die um deine Beine gewickelt waren, und stöhnte unter deinem Gewicht. Erst nach einer ganzen Reihe erfolgloser Versuche hatten wir herausgefunden, wie man mit einem Spreizverband auf Toilette gehen kann – das war auch so eine Kleinigkeit, die die Ärzte einem verschwiegen. Von anderen Eltern in Internetforen hatte ich erfahren, dass man Plastiktüten in den Spalt des Verbandes stopfen kann, damit der Gips schön trocken bleibt. Unnötig zu erwähnen, dass ein Toilettengang mit dir trotzdem dreißig Minuten dauerte, und nach ein paar Missgeschicken hast du stets früh genug Bescheid gesagt, anstatt bis zum letzten Augenblick zu warten.
    »Jedes Jahr werden vierzigtausend Menschen auf der Toilette verletzt«, hast du gesagt.
    Ich knirschte mit den Zähnen. »Um Himmels willen, Willow, konzentrier dich einfach, damit du nicht Nummer vierzigtausendundeins wirst.«
    »Okay. Ich bin fertig.«
    Bei einem weiteren Balanceakt gab ich dir das Klopapier und ließ dich zwischen deine Beine greifen. »Gut gemacht«, sagte ich, beugte mich vor, um abzuziehen, und ging dann vorsichtig rückwärts zur Tür hinaus. Doch trotz aller Vorsicht verfing sich mein Schuh an der Teppichkante, und ich spürte, wie ich das Gleichgewicht verlor. Ich

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