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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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maßgeschneiderter Anzug und sogar dieses kleine Grübchen am Kinn. »Warum überlassen Sie es nicht mir, das zu beurteilen?«, sagte er.
    Er hatte mir erklärt, dass wir zwanzig Tage Zeit hätten, eine Antwort auf die Klage zu verfassen, einen formellen Antrag auf Klageabweisung bei Gericht. »Sie sagen, Osteogenesis imperfecta könne in der zwanzigsten Schwangerschaftswoche diagnostiziert werden. Ist das korrekt?«, fragte er.
    »Ja … jedenfalls die tödliche Variante … per Ultraschall.«
    »Aber die Tochter der Patientin hat überlebt.«
    »Stimmt«, sagte ich. Gott sei Dank.
    Es gefiel mir, dass er von Charlotte als »der Patientin« sprach. Das hatte etwas Klinisches. So war die Angelegenheit einen ganzen Schritt weiter entfernt.
    »Und sie hat den schweren Typus – Typ  III .«
    »Ja.«
    Er blätterte noch einmal die Akte durch. »Der Oberschenkelknochen war in der sechsten Perzentile?«
    »Stimmt. Das ist auch dokumentiert.«
    »Aber das ist kein eindeutiges Zeichen für OI .«
    »Das kann alles Mögliche bedeuten. Downsyndrom, Dysplasie … oder auch ein kleines Elternteil oder eine Fehlmessung unsererseits. Viele Föten, die in der achtzehnten Woche Abweichungen vom Standard zeigen – wie Willow –, entwickeln sich später ganz normal. Erst wenn diese Anzeichen auch später zu sehen sind, wissen wir, dass wir es mit einem Problem zu tun haben.«
    »Dann hätten Sie also in jedem Fall dazu geraten, erst einmal abzuwarten, korrekt?«
    Ich starrte ihn an. So gesehen schien es, als hätte ich gar keinen Fehler begangen. »Aber der Schädel«, sagte ich. »Meine Angestellte hat mich darauf hingewiesen …«
    »Hat sie Ihnen auch gesagt, sie glaube, das sei ein medizinisches Problem?«
    »Nein, aber …«
    »Sie hat gesagt, das sei ein sehr klares Bild des Gehirns.« Er schaute mich an. »Ja, Ihre Sonografin hat Sie auf etwas Ungewöhnliches hingewiesen – aber nicht notwendigerweise auf ein Symptom. Es hätte genauso gut ein technisches Problem am Gerät sein können oder ein Fehler bei der Handhabung.«
    »Aber das war es nicht«, erwiderte ich und spürte, wie sich mir der Hals zuschnürte. »Es war OI , und ich habe es übersehen.«
    »Sie reden von einer Prozedur, die keineswegs einen schlüssigen Test für OI darstellt. Oder anders ausgedrückt: Wäre die Patientin zu einem anderen Arzt gegangen und nicht zu Ihnen, wäre genau das Gleiche passiert. Das ist kein Kunstfehler, Piper. Die Eltern kommen nur nicht damit zurecht.« Guy runzelte die Stirn. »Kennen Sie irgendeinen Arzt, der anhand einer Ultraschallaufnahme aus der achtzehnten Woche, auf der eine demineralisierte Schädeldecke sowie ein verkürzter Oberschenkel, aber keine offensichtlichen Brüche zu sehen sind, OI diagnostiziert hätte?«
    Ich schaute auf den blank polierten Tisch und mein verschwommenes Spiegelbild. »Nein«, gab ich zu. »Aber sie hätten Charlotte weiter testen lassen – sie einer Chorionzottenbiopsie und dergleichen unterzogen.«
    »Sie hatten der Patientin bereits weitere Test vorgeschlagen«, erklärte Guy und deutete auf die Akte, »nachdem ihr Triple-Test ein erhöhtes Risiko für das Downsyndrom ergeben hatte.«
    Ich schaute ihm in die Augen.
    »Sie haben ihr zu einer Fruchtwasseruntersuchung geraten, korrekt? Und was hat sie geantwortet?«
    Zum ersten Mal, seit ich den kleinen blauen Umschlag bekommen hatte, spürte ich, wie sich der Knoten in meinem Bauch löste. »Sie wollte Willow haben, unter allen Umständen.«
    »Nun, Dr. Reece«, sagte der Anwalt, »das klingt mir ganz und gar nicht nach einer ungewollten Geburt.«

Charlotte
    Ich fing an zu lügen.
    Zuerst waren es nur kleine Notlügen, Antworten auf Fragen wie »Ma’am, alles in Ordnung mit Ihnen?«, wenn eine Zahnarzthelferin mich dreimal aufgerufen und ich sie nicht gehört hatte, oder wenn ein Marktforscher anrief und ich sagte, ich hätte gerade keine Zeit, obwohl ich einfach nur am Küchentisch saß und ins Leere starrte. Dann begann ich, ernsthaft zu lügen. Ich machte einen Braten zum Abendessen, vergaß vollkommen, dass er noch im Ofen war, und wenn Sean dann durch das verkohlte Etwas sägte, erklärte ich, das müsse an dem schlechten Fleisch im Supermarkt liegen. Ich lächelte die Nachbarn an, und wenn sie fragten, erklärte ich, es gehe uns hervorragend. Und als deine Lehrerin mich anrief und zu sich bestellte, weil es einen Vorfall gegeben habe, tat ich so, als hätte ich nicht die geringste Ahnung, was dich so aus der Fassung

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