Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
eingereicht worden war, als die Frage, wer sich mit wem zusammentat noch viel interessanter war als irgendeine Schlacht vor Gericht; deshalb hatte sich die Nachricht auch noch nicht wie ein Lauffeuer über die Flure verbreitet. Wir waren nun seit zwei Monaten wieder dabei, lernten Vokabeln, hörten uns langweilige Vorträge von langweiligen Lehrern an, machten unsere NECAP -Tests, und jeden Tag, wenn es zum Schulschluss klingelte, wunderte ich mich erneut, dass ich schon wieder verschont geblieben war.
Unnötig zu sagen, dass Emma und ich nicht mehr zusammen abhingen. Am ersten Schultag hatte ich sie auf dem Weg zur Turnhalle abgefangen. »Ich weiß nicht, was meine Eltern da veranstalten«, sagte ich zu ihr. »Ich habe ja schon immer gesagt, dass sie Aliens sein müssen, und das ist jetzt der beste Beweis dafür.« Normalerweise hätte das Emma zum Lachen gebracht, doch stattdessen schüttelte sie nur den Kopf. »Ja, wirklich sehr komisch, Amelia«, sagte sie. »Erinnere mich, dass ich auch Witze reiße, wenn dich mal jemand in den Hintern tritt, dem du vertraut hast.«
Danach schämte ich mich viel zu sehr, als dass ich sie noch einmal ansprach. Selbst wenn ich ihr gesagt hätte, ich stünde auf ihrer Seite und hielte es für lächerlich, dass meine Eltern ihre Mutter verklagten, warum hätte sie mir glauben sollen? Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, ich hätte meine Freundin auch für eine Spionin gehalten. Allerdings erzählte Emma niemandem, was zwischen uns schiefgelaufen war – immerhin würde das auch sie in Verlegenheit bringen –; wenn jemand sie fragte, sagte sie vermutlich einfach, wir hätten uns zerstritten. Und da war noch etwas, was ich lernte, als ich zu Emma auf Distanz ging: Alle, die ich bis dahin für meine Freunde gehalten hatte, waren in Wahrheit Emmas Freunde und hatten meine Gegenwart nur hingenommen. Ich kann nicht sagen, dass es mich überrascht hätte, aber weh tat es mir trotzdem, wenn ich in der Schulmensa mit dem Tablett in der Hand an ihnen vorbeiging und niemand für mich Platz machte. Oder wenn ich mein Sandwich aus dem Spind holte, das für gewöhnlich vom Mathebuch zerquetscht worden war, sodass die Marmelade herausquoll wie Blut aus einem Mordopfer, und Emma nicht mehr neben mir stand, um zu sagen: Hier. Nimm die Hälfte von meinem Thunfischsandwich.
Nach ein paar Wochen hatte ich mich fast daran gewöhnt, unsichtbar zu sein. Tatsächlich hatte ich sogar ein gewisses Geschick darin entwickelt. Ich saß so still und leise in der Klasse, dass manchmal sogar Fliegen auf meinen Händen landeten, und im Bus kauerte ich mich so tief zusammen, dass der Fahrer einmal sogar vergaß, an meiner Haltestelle anzuhalten, und schon wieder in Richtung Schule wendete. Doch eines Morgens ging ich in meine Klasse und wusste sofort, dass etwas anders war. Janet Efflinghams Mutter arbeitete als Empfangssekretärin in einer Anwaltskanzlei, und sie hatte jedem von dem lauten, schmutzigen Streit erzählt, den sich meine Eltern während einer Befragung im Konferenzraum geliefert hatten. Nun wusste die ganze Schule, dass meine Mutter Emmas Mutter verklagt hatte.
Ich dachte, damit säßen Emma und ich wieder gemeinsam in demselben armseligen Rettungsboot, aber ich hatte vergessen, dass Angriff die beste Verteidigung war. Ich saß in der Matheklasse, was mir besonders schwerfiel, denn mein Platz war genau hinter Emmas, und wir hatten uns immer Zettelchen geschrieben ( Sieht Mr. Funke nicht plötzlich heißer aus, wo er jetzt geschieden ist? Hat Veronica Thomas sich über das verlängerte Wochenende etwa Brustimplantate machen lassen, oder was? ). Genau diese Situation nutzte Emma, um an die Öffentlichkeit zu gehen und das kollektive Mitgefühl der Schule für sich zu beanspruchen.
Mr. Funke hatte eine Folie auf den Tageslichtprojektor gelegt. »Wenn wir also von zwanzig Prozent des Verdienstes unseres Millionärs Marvin reden, und er hat in diesem Jahr sechs Millionen Dollar gemacht, wie hoch sind dann die Unterhaltszahlungen für die jammernde Wanda?«
Da sagte Emma: »Fragen Sie Amelia. Die weiß genau, wie man jemanden abzockt.«
Irgendwie schien Mr. Funke der Kommentar entgangen zu sein, aber alle anderen kicherten, und ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg. »Vielleicht wäre es ganz gut, wenn deine bescheuerte Mutter endlich mal lernen würde, ihren Job zu machen«, schoss ich zurück.
»Amelia«, sagte Mr. Funke in scharfem Ton, »geh runter zu Miss Greenhaus.«
Ich stand
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