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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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was du tun musst, aber zieh mich nicht mit runter.«
    Nicht zum ersten Mal dachte ich, dass ein Streit wie dieser mich unter anderen Umständen direkt zu Piper geführt hätte. Ich hätte sie angerufen und ihr meine Seite der Geschichte erzählt, und allein durch das Gefühl, dass sie mir zuhört, wäre es mir schon besser gegangen.
    Und ich hätte getan, was du ständig tun musstest: Ich hätte gewartet, bis die Zeit den Bruch zwischen uns heilt, der schmerzte, egal, in welche Richtung wir uns drehten.
    »Was zum Teufel …?«, fragte Sean, und ich hob den Kopf und sah Amelia im Flur stehen.
    Sie aß einen Apfel, und ihre Haare waren blau gefärbt. Sie grinste mich an. »Rock on«, sagte sie.
    Du hast sie angestarrt. »Warum hat Amelia Zuckerwatte auf dem Kopf?«
    Ich sog zischend die Luft ein. »Dafür habe ich jetzt keine Nerven«, sagte ich. »Jetzt nicht.« Und ich stieg die Treppe hinauf, als bestünden die Stufen aus Glas.
    In den letzten acht Wochen meiner Schwangerschaft gab es jeden Morgen drei Sekunden, die perfekt waren. Wenn ich langsam aus dem Schlaf aufwachte, waren da diese paar segensreichen Momente, wo ich alles vergessen hatte. Ich spürte deine Bewegungen, die schnellen Tritte deiner Beinchen, und glaubte, alles würde gut werden.
    Doch dann drängte sich die Wirklichkeit in mein Bewusstsein. Bei diesem Tritt könnte das Bein gebrochen sein – schon wieder. Diese Bewegung könnte dich verletzt haben. Dann lag ich vollkommen still auf meinem Kissen und fragte mich, ob du während der Geburt sterben würdest oder erst kurz danach. Oder ob wir den Jackpot gewinnen und du am Leben bleiben würdest, wenn auch schwer behindert. Es war zwangsläufig, dachte ich, dass mir bei jedem deiner Knochenbrüche das Herz brach.
    Einmal hatte ich einen Albtraum. Ich hatte dich geboren, und niemand wollte mit mir reden, mir sagen, was los war. Stattdessen wandten die Ärzte und Krankenschwestern mir den Rücken zu. »Wo ist mein Baby?«, verlangte ich zu wissen, und selbst Sean schüttelte den Kopf und wich vor mir zurück. Ich rappelte mich auf, bis ich zwischen meine Beine schauen und es sehen konnte: Was ein Baby hätte sein sollen, war nur ein zersplitterter Kristall, und zwischen den Splittern konnte ich deine winzigen Fingernägel erkennen, ein Stück Hirn, ein Ohr und eine Darmschlinge.
    Ich fuhr weinend aus dem Traum hoch. Es dauerte Stunden, bis ich wieder einschlief. Als Sean mich am nächsten Morgen weckte, sagte ich, ich könne nicht aufstehen, und das meinte ich ernst: Ich war überzeugt, mit jeder Bewegung dein Überleben zu gefährden. Bei jedem Schritt konnte ich dir einen Bruch zufügen, also musste ich äußerst behutsam sein.
    Sean rief daraufhin Piper an, und sie kam und erklärte mir, welche Sicherheitsmaßnahmen die Natur im Falle einer Schwangerschaft ergriff: die Fruchtblase, das Fruchtwasser, das Polster zwischen meinem Leib und deinem. Natürlich wusste ich das alles, aber ich hatte auch andere Dinge zu wissen geglaubt, die sich im Nachhinein als falsch herausgestellt hatten: dass Knochen mit der Zeit stärker werden, nicht schwächer; dass ein Fötus, der nicht unter dem Downsyndrom litt, gesund sein müsse … Piper erklärte Sean, dass ich vielleicht nur einen Tag Schlaf bräuchte; sie würde später noch einmal nach mir sehen. Aber Sean machte sich weiter Sorgen, und nachdem er sich krankgemeldet hatte, rief er unseren Priester an.
    Pater Grady machte offenbar Hausbesuche. Er setzte sich auf einen Stuhl, den Sean ins Schlafzimmer gebracht hatte. »Wie ich höre, sind Sie ein wenig besorgt.«
    »Das ist schamlos untertrieben«, erwiderte ich.
    »Gott erlegt den Menschen keine Last auf, die sie nicht tragen können«, erklärte Pater Grady.
    Das war ja alles schön und gut, aber was hatte mein Baby Ihm eigentlich getan? Warum musste es sich schon als stark beweisen und diese Verletzungen aushalten, bevor es überhaupt auf die Welt kam?
    »Ich habe immer geglaubt, dass Gott die ganz besonderen Babys für die Eltern aufhebt, denen Er vertraut«, sagte Pater Grady.
    »Mein Baby wird vielleicht sterben«, sagte ich.
    »Ihr Baby wird vielleicht nicht in dieser Welt verweilen«, korrigierte er mich. »Stattdessen wird es bei Jesus sein.«
    Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. »Wenn Er ein Baby haben will, soll Er sich ein anderes holen.«
    »Charlotte!«, rief Sean.
    Pater Grady schaute mich mit seinen großen warmen Augen an. »Sean dachte, es würde vielleicht helfen,

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