Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
Bernsteinen funkelnd eroberten sie jedes Frauenherz. Der stattliche junge Mann trug eine blaue Tunika, die seine Augenfarbe heller strahlen ließ und die goldenen Sprenkel darin betonte. Dunkelbraune, oben umgekrempelte Stiefel vervollständigten die modische Kombination.
Der Blick des Neuankömmlings durchwanderte den Raum und blieb an Laura hängen.
„In der hintersten Reihe ist noch ein Platz frei. Setzt dich da hin“, forderte ihn die Lehrerin auf. Einen kurzen Augenblick verweilend, warf er seine schwarze Mähne mit einer berechnenden eleganten Bewegung in den Nacken und lächelte Laura direkt an. Seine Zähne funkelten und hoben sich wie Perlen von seiner sonnengebräunten Haut ab. Laura sackte in ihrem Stuhl zusammen und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Laurenz schlenderte lässig an ihr vorbei und streifte wie zufällig mit seiner Hand ihren Oberarm. Laura erschauerte und sah ihm mit leuchtenden Augen nach.
Laurenz. Ein alberner Name, aber er hatte schon schlimmere getragen. Alberto, Franklin, Mantula ... Nein Laurenz war gar nicht so schlecht. Für eine Weile würde er Laurenz sein, dachte sich der junge Mann, als er durch die Reihen zum freien Platz schlenderte und sich zum wiederholten Male mit dem Namen anfreundete. Angekommen, setzte er sich neben seinen Tischnachbarn mit den Worten: „Tagchen Bursche.“ Ein kurzer Blick reichte Laurenz, um sich ein Bild von ihm zu machen. Er trug erdfarbene Tunika und Hosen, die ihm beide zu groß waren. Die passende übergroße Mütze dazu war tief ins Gesicht gezogen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die ausgestreckten Beine lässig übereinandergeschlagen.
Im Gegensatz zu den anderen schien ihn Laurenz Auftritt nicht im Geringsten beeindruckt zu haben. Er verneinte sogar mit seiner ganzen Körperhaltung Laurenz Existenz. Laurenz mochte solche Typen. Mit denen konnte man sich anfreunden. Ein Außenseiter! Solche Einzelgänger beobachten und analysierten ihre Umgebung aus einfachem Überlebensinstinkt heraus sehr genau. Informationen waren das A und O, wenn man sich gegen den Mob behaupten wollte, auch bei einem kleinen Mob am Ende der Welt wie hier.
Obwohl Laurenz auf eine völlige Ignoranz seiner Person stieß, ließ er sich nicht davon abhalten, seinem neuen Tischnachbarn die Hand hinzustrecken und sich mit fröhlicher Stimme vorzustellen: „Man nennt mich Laurenz, wie ist dein werter Name?“ Stille. Da Laurenz von Natur aus beharrlich war - manche würden es halsstarrig nennen - versuchte er es noch einmal: „Die Blonde in der ersten Reihe ist echt ein Blickfang. An der würde ich gern mal ...“ Keine Reaktion, nicht mal ein Blick. Der Eisbrecher „schönes Mädchen“ war an diesem Gesellen abgeperlt, wie ein Regentropfen an einer in Öl getränkten Tierhaut.
Verärgert stütze Laurenz seinen Ellenbogen auf den Tisch, bettete seinen Kopf in seine Handfläche und musterte den Jungen aus dem Augenwinkel. Er mochte es nicht ignoriert zu werden.
„Serena, nimm die Mütze im Unterricht ab!“, rief Frau Schimmerlin verärgert, drehte der Klasse den Rücken zu und schrieb mit einem weißen Stück Kalk etwas auf eine kleine Schiefertafel, die schon bessere Zeiten gesehen hatte. Laurenz nahm jedoch davon keine Notiz und runzelte gedankenverloren die Stirn. Die eisige Kälte seines Tischnachbars machte ihm zu schaffen. Dieser schien sich jedoch die Worte der Lehrerin zu Herzen zu nehmen und nahm die zu große Mütze ab.
Herunter purzelten lange schwarze Locken, die sich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden sanft über seine Schultern legten. Feine Gesichtszüge und Augen so blau und klar wie ein Bergsee kamen zum Vorschein. Mit aufgerissenen Augen starrte Laurenz seine TischnachbarIN an. Die Worte „Tagchen BURSCHE“ und „an DER würde ich gern Mal ...“ schwirrten Laurenz im Kopf herum und er merkte nicht, wie sein Ellbogen den Halt verlor und wegrutschte. Mit einem lauten Knall sagte sein Kopf der Tischplatte Hallo und ein stechender Schmerz durchzuckte Laurenz. Er ignorierte die neugierigen Blicke der Schüler, blieb mit dem Kopf auf dem Tisch liegen und lamentierte gedankenverloren. Hatte er sich gerade eine einmalige Informationsquelle verbaut? Laurenz hoffte inständig, dass sein unüberlegtes Verhalten keine Auswirkung auf seinen Plan hatte. Alles im Leben hatte Konsequenzen. Laurenz dachte mit einem nervösen Prickeln im Nacken darüber nach, welche es wohl hierfür sein würden.
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Wie in jeder Pause zwischen
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