Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
hat?“ Wieder keine Antwort. Serena seufzte. Sie wiederholte ihre Fragen in der Sprache der Airen erntete jedoch den gleichen Blick. Seufzend dachte sich Serena, dass sie sich die Wunden anschauen sollte und wenn nötig den Verband wechseln. Sie kniete neben das Mädchen, öffnete ihren Mantel und sagte zur Beruhigung: „Ich will mir nur deine Wunden anschauen, säubern und neu verbinden. In der Nähe ist ein Bach. Wir können das Wasser abkochen.“ Das Mädchen antwortete wieder nicht, wehrte sich aber nicht, als Serena ihr Oberteil hochzog.
Die einst weißen Bandagen waren rot gefärbt von Blut. Serena löste den Verband und machte sich auf einen grausamen Anblick gefasst. Bilder des Schreckens erfüllten ihren Kopf: vom Rücken hängenden Haut- und Fleischfetzen. Dann hielt sie verwirrt inne. Das konnte nicht sein. Die Wunden waren vollkommen verheilt. Frische Narben überzogen alte, aber keine der Wunden war mehr offen. Wie konnte das sein? Serena warf die Bandagen ins Feuer, das sie zuvor aus der glühenden Asche wieder zum Leben erweckt hatte. Die Flammen fraßen sich an den Bandagen satt, bis sie völlig verschwunden waren. Hatte Serenas Mutter dieses Wunder bewirkt?
Wie auch sonst schob sie Gedanken und Gefühle, die sie nicht verstand beiseite, begrub sie unter einem Berg der Gleichgültigkeit und Lethargie und begann die Schlafsachen zusammenzupacken. Danach hielt sie dem Mädchen ihre Ration Wasser hin und ging mit ihr zum Bach, um den Wasserschlauch wieder aufzufüllen.
„Wir gehen durch den Dunkelwald, zum Hochland und von dort aus in die Berge zu den Airen, deinem Volk. Da wird man sich um dich kümmern.“ Serena hatte sich das Mädchen im Tageslicht näher angeschaut und verstanden, warum Zorghk sie zu den Airen geschickt hatte.
Nicht nur ihre gedrungene Statur, ihre harten kantigen Gesichtszüge, sondern vor allem ihre kleinen spitz zulaufenden Ohren zeugten von ihrer Herkunft. Das Mädchen stammte von Airen ab, das war nicht abzustreiten. Vielleicht würden die Airen sich ihrer wirklich annehmen. Aber was würde dann aus Serena selb st? Zurück konnte sie nicht, das hatte ihr Zorghk deutlich gemacht. Auch diesen Gedanken schob sie beiseite. Dafür war jetzt nicht die Zeit. Sie mussten so viel Kilometer wie möglich zwischen sich, Krem und der Leiche bringen.
Das ungleiche Paar marschierte los. Zwar musste Serena das Mädchen nicht mehr tragen, da sie jedoch noch schwach war und sehr kurze Beine hatte, kamen sie nur langsam voran. Tagelang liefen sie nebeneinander her , ohne auch nur ein Wort zu wechseln. Der Wald wurde immer dichter und es tauchten immer mehr Tiere in ihrem Blickfeld auf. Doch eine abwechselnde Nachtwache war mit dem kleinen Mädchen nicht möglich und Serena hatte mit den Jahren gelernt, dass ihr Körper Schlaf brauchte. So schliefen sie Nacht um Nacht, ohne Wache, ihr einziger Schutz ein kleines Feuer, das nach ein paar Stunden ungefüttert, leise starb. Doch in der Hoffnung das Feuer würde zumindest einige der Raubtiere fernhalten, entzündete Serena jeden Abend aufs Neue eins. Bis auf ein paar Eichhörnchen, die sich neugierig ihrem Lager ab und zu näherten, blieben sie unbehelligt.
Am Abend des fünften Tages saß Serena noch allein beim Feuer, sie hatten gerade das Abendmahl zu sich genommen, zusammengestellt aus dem was der Wald so bot. Sie hörte dem Knistern zu und starrte hinein. In den zügelnden um sich selbst tanzenden Flammen schienen ihr Erinnerungen entgegen, glänzender, als sie in Realität je hätte sein könnten, nahmen sie Serena gefangen.
Sie sah Laura lächelnd als Kind, Zorghk, wie er in seinem Schaukelstuhl saß und auf und ab wippte. Sie sah ihren Vater, so wie sie ihn in Erinnerung behalten hatte, mit strahlenden Augen immer ein Lächeln auf den Lippen. Ja sie sah sogar ihre Mutter, wie sie wieder einmal über ihrer Arbeit eingeschlafen war. Ihre Brust zog sich leicht zusammen und der Wunsch sie alle zu sehen und wenn auch nur für einen Augenblick, ergriff ihre Gedanken und ließ sie nicht mehr los. Das erste Mal in ihrem noch kurzen Leben empfand Serena SEHNSUCHT und HEIMWEH.
Diese Gefühle schwollen in Serenas Innerem an, wandten sich langsam ihre Bahn durch das eng gestrickte Netz, das seit ihrer Geburt um Serenas Herz rankte und schafften es an die Oberfläche, wenn auch nur sehr abgeschwächt. Die Bilder ihres nun vergangenen Lebens vor sich, blickte Serena auf die Gestalt des kleinen Wesens, das es ihr unmöglich gemacht hatte nach
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