Zero Day
sich um Familienangelegenheiten, darum habe ich nie danach gefragt. Es ging mich nichts an.«
»Aber inzwischen hat jemand ihn und seine Familie dort ermordet.«
»Ja, das ist offenkundig. Und es ist Ihre Aufgabe, die Täter zu finden.«
»Genau das versuche ich derzeit.«
»Schön. Nur glaube ich, die Lösung des Falles ist nicht im Pentagon zu finden, sondern in West Virginia.«
»Kannten Sie seine Frau?«
Carson sah auf die Uhr und dann zum Telefon. »Ich muss mich gleich an einer Konferenzschaltung beteiligen. Und der J2-Chef ist außer Landes, sodass ich morgen früh dem Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs den Tagesbericht zu erstatten habe.«
»Ich werde mir alle Mühe geben, es kurz und knapp zu machen«, antwortete Puller. Dennoch blickte er sie erwartungsvoll an.
»Stacey Reynolds kannte ich nur über Matthew. Ich bin ihr hin und wieder begegnet. Wir waren Bekannte, aber nicht befreundet.«
»Und Oberst Reynolds hat nie angedeutet, dass sich in West Virginia etwas Absonderliches ereignet?«
»Ich dachte, das hätte ich vorhin klargestellt.« Geduldig wartete Puller, ohne den Blick von General Carson zu wenden. »Nein, hat er nicht«, sagte Carson, und Puller vermerkte diese Auskunft in seinem Notizbuch.
»Als ich auf diesen Fall angesetzt worden bin, hieß es, er sei ungewöhnlich. Ich dachte, er sei außergewöhnlich, weil er die Ermordung eines beim Militärischen Geheimdienst tätigen Armeeoffiziers betrifft, der auf höchst geheime Daten Zugriff hatte.«
»Zum Glück werden solche Personen nur äußerst selten ermordet, sodass man einen derartigen Fall wohl durchaus ungewöhnlich nennen kann.«
»Nein, ich habe den Verdacht, er wurde als ungewöhnlich bezeichnet, weil man trotz allem nur ganz bescheidene Ermittlungen in die Wege geleitet hat. Warum hätte man mir gegenüber den Fall als ›ungewöhnlich‹ bewerten sollen, wenn Reynolds im Geheimdienst nichts Wichtiges zu tun hatte und Sie die Auffassung vertreten, der Mord stünde in keinem Zusammenhang mit seiner geheimdienstlichen Tätigkeit? Dann wäre es ja nur ein herkömmlicher Mordfall.«
»Da ich es nicht war, die Ihnen gegenüber diese Bezeichnung gebraucht hat, weiß ich auf diese Frage keine Antwort.« Nochmals blickte Carson auf die Uhr.
»Fällt Ihnen noch irgendetwas ein, das meine Ermittlungen begünstigen könnte?«
»Nicht das Geringste.«
»Ich muss Reynolds’ Untergebene befragen.«
»Hören Sie, Puller, muss das wirklich sein? Ich habe Ihnen alles erzählt, was es zu sagen gibt. Meine Leute sind sehr damit beschäftigt, die Sicherheit der Nation zu gewährleisten. Das Letzte, was sie gebrauchen können, ist überflüssige Ablenkung durch so einen Vorgang, der mit ihnen überhaupt nichts zu schaffen hat.«
Puller straffte sich und klappte das Notizbuch zu. »Ihr Freund und Kamerad Matthew Reynolds ist ermordet worden, General Carson. Ich habe den Auftrag erhalten, die Täter aufzuspüren. Es ist mein fester Vorsatz, den Auftrag erfolgreich zu erledigen. Ich muss mit seinen Untergebenen sprechen. Ich werde es effizient und professionell tun, aber geschehen muss es, und zwar ohne Aufschub.«
Er und Carson starrten sich an. Schließlich behielt Puller die Oberhand. General Carson griff zum Telefon und führte mehrere Gespräche. »Vielleicht habe ich Sie falsch beurteilt«, sagte sie, als Puller aufstand, um zu gehen.
»In welcher Hinsicht?«
»Möglicherweise haben Sie doch das Zeug, das man zum Kommandieren braucht.«
»Möglicherweise«, sagte Puller.
50
Sie verließen das J2-Büro, bogen nach links in Korridor 9 ein und nahmen die Rolltreppe ins Untergeschoss. Die Tiefetagen des Pentagons bestanden aus einem verwirrenden Irrgarten klinisch weißer Gänge, in die nie ein einziger Sonnenstrahl dringen würde. Im Pentagon gehörte es zum Anekdotenschatz, dass hier noch Ministeriumsmitarbeiter aus den 1950er-Jahren umhertappen sollten, die den Ausgang suchten.
Als Personal hatte die Abteilung J23 Analytiker und Grafiker, insgesamt rund zwei Dutzend Leute, die Woche für Woche systematisch das Material für die Tagesberichte zusammenstellten und dabei nicht allein auf Informationen und Erkenntnisse des Militärischen Geheimdienstes zurückgriffen, sondern auch auf Daten der CIA und des Ministeriums für Innere Sicherheit. Sie schnitten die Erläuterungen und Darstellungen auf die vom gegenwärtigen Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs vorgegebenen Schwerpunktthemen zu. Die PowerPoint-Präsentation
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