Zero Day
soll. Können Sie sich dafür eine Erklärung vorstellen?«
»Matthews Arbeit beim Militärischen Geheimdienst?«
»Dagegen spricht, dass General Carson mir versichert hat, Reynolds sei mit nichts beschäftigt gewesen, das zu seiner Ermordung hätte führen dürfen, also kann das nicht der Grund sein. Dennoch hat in dieser Angelegenheit sogar der Führungsstab des Armee-Oberkommandos das KTU -Labor in Atlanta angerufen. Anscheinend ist man dort der Ansicht, da liefe eine hochbrisante Sache, die über Belange des Militärischen Geheimdienstes hinausgeht. Wieso könnte man zu dieser Einschätzung gekommen sein?«
»Weil jemand beim Militärischen Geheimdienst dem Führungsstab des Armee-Oberkommandos mitgeteilt hat, dass es etwas Brisantes ist«, meinte Strickland, »und man äußerste Geheimhaltung bewahren will?«
»Genau das habe ich auch gedacht. Als ich vorhin General Carson erwähnt habe, hat Ihr Gesicht leicht die Farbe gewechselt.« Nun wurde Strickland bleich. »Mir fällt so etwas einfach auf«, fügte Puller hinzu. »Nehmen Sie es nicht persönlich. Also erzählen Sie mir, was Sie über General Carson wissen.«
»Ich kenne sie nicht allzu gut.«
»Ich bin sicher, Sie kennen sie allemal besser als ich. Sagen Sie mir eins: Hätte Reynolds sich ihr in der gleichen Weise anvertraut wie Ihnen?«
»Matt war Soldat unter Soldaten.«
»Mit anderen Worten, er hielt sich an die Befehlshierarchie. Also wird er Carson in Kenntnis gesetzt haben. Und sie hat vielleicht eine Gelegenheit gesehen, einen Erfolg einzuheimsen. Unvermutet ein Husarenstück abzulegen, das ihr den zweiten Stern einbringt. Vor allem, falls Reynolds an etwas geraten war, das einen Bezug zum Heimatschutz hat. Halten Sie diese Gedankengänge für plausibel? Oder bin ich auf dem Holzweg?«
»Julie Carson würde auf das Grab ihrer Mutter pinkeln, um Generalmajorin zu werden«, ereiferte sich Strickland.
»So ehrgeizig ist sie?«
»Meine Erfahrungen mit dem Militär besagen, dass jeder, der nur einen Stern hat, solchen Ehrgeiz entwickelt.«
»Also weist sie Reynolds an, sich mit den bedrohlichen Vorgängen zu befassen. Sich an den ›verdeckten Ermittler‹ zu halten. Sie hat den zweiten Stern vor Augen. Aber plötzlich werden Reynolds und seine Familie beseitigt. Jetzt sitzt Carson auf einem Pulverfass. Wird die Wahrheit aufgedeckt, kann sie nicht nur den zweiten Stern abschreiben, sondern verliert möglicherweise den, den sie schon hat.«
Strickland nickte. »Darum muss sie ihre Beteiligung vertuschen. Sie sagt Ihnen, Matthews Ermordung könne keinesfalls in irgendeinem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Militärischen Geheimdienst stehen. Dass er an nichts Wichtigem gearbeitet habe.«
»Welche Aussage hätte sie sonst machen sollen? Reynolds war Leiter der Abteilung J23. Allein das genügt, um bei den Ermittlungen einen etwaigen Zusammenhang zwischen seiner geheimdienstlichen Tätigkeit und der Ermordung zu berücksichtigen. Immerhin war er in die Ausarbeitung der Tagesberichte für den Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs einbezogen. Sollte man Carson zur Rede stellen, kann sie sich auf ihre Ermessensbefugnis bei der Gratwanderung berufen, welche Aussagen sie mir gegenüber macht. Sie lässt mich abblitzen, baut aber insgeheim darauf, dass allgemein unterstellt wird, der Mord an Reynolds sei eine Konsequenz seiner Geheimdiensttätigkeit. Wahrscheinlich hofft sie wider jede Vernunft, dass der konkrete Grund seiner Ermordung unentdeckt bleibt. Dann wäre sie außer Gefahr. Sollte hingegen auffliegen, dass sie aus Karrieregründen etwas Bedeutendes unter den Teppich gekehrt hat, geriete sie in schwere Erklärungsnot. Dann hätte sie nach den Sternen gegriffen und würde auf die Nase fallen.«
»Falls sich das bewahrheitet, steckt sie bis zum Hals in Schwierigkeiten.« Fast merkte man Strickland Schadenfreude an.
»Meine Aufgabe ist es«, sagte Puller, »Verbrecher aufzuspüren und nicht, einem Brigadegeneral die Laufbahn zu verpfuschen. Vielleicht hat sie einen Fehler begangen, und falls ja, wird sie vielleicht dafür zu büßen haben, aber das fällt nicht in meine Zuständigkeit, okay?«
Der boshafte Ausdruck wich aus Stricklands Miene. »Was haben Sie nun vor?«, erkundigte sie sich.
»Mich ein zweites Mal mit dem Brigadegeneral zu unterhalten«, lautete seine Auskunft. »Ich weiß Ihre Hilfe zu würdigen, Leutnant.«
Wieder wurde Strickland blass. »Sie verraten ihr doch nicht, dass ich …?«
»Nein, bestimmt
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