Zero Day
Geheimdienst.«
»Gewiss.« An der Fotowand sah Puller in der Tat ein Bild des derzeitigen Geheimdienstchefs. »Und bestimmt bessere Beziehungen als ich.«
»Also kommen Sie endlich zur Sache!«
»Weihen Sie mich in alles ein, was Oberst Reynolds Ihnen über geheimnisvolle Geschehnisse in West Virginia erzählt hat. Ganz besonders über das, was ihm ernsthafte Besorgnis verursacht haben soll.«
Entgeistert starrte Carson ihn an. »Ich habe schon angegeben, dass Reynolds mir gegenüber nie irgendwelche Vorkommnisse in West Virginia angesprochen hat.«
»Ich weiß. Es steht in meinem Notizbuch. Ich möchte Ihnen jedoch die Gelegenheit lassen, Ihre Aussage zu korrigieren, bevor sie unwiderruflich amtlich erfasst wird.«
»Mir gefällt nicht, was Sie damit andeuten«, sagte Carson.
»Und mir gefällt es nicht, belogen zu werden.«
»Sie liegen verkehrt.«
»Ich bewerte es als verkehrt, mir gegenüber falsche Aussagen zu machen, die es mir erschweren, Reynolds’ Mörder zu fassen.«
»Wer hat behauptet, ich wüsste etwas darüber?«
»Ich bin kriminalistischer Ermittler. Es ist meine Aufgabe, mir Erkenntnisse zu verschaffen.«
»Wenn jemand Unwahrheiten über mich verbreitet, habe ich ein Recht, die Tatsachen zu erfahren.«
»Falls es Unwahrheiten sind. Aber nicht, wenn es die Wahrheit ist.«
Carson verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. Puller entging nichts. Zuvor hatte sie eine aggressive Haltung eingenommen, Hände auf den Knien, Oberkörper vorgebeugt, um zu vermitteln: Heraus mit der Sprache und Schluss damit. Jetzt hatte sich ihre Körpersprache verändert. Anscheinend merkte sie, wie achtsam er sie beobachtete. »Ich habe bei der Überarbeitung des Handbuchs für Verhörmethoden mitgewirkt, Puller«, sagte sie, »also ersparen Sie mir die Verlegenheit, mit ansehen zu müssen, wie Sie mich zu durchschauen versuchen.«
»Ging es dabei um verschärfte Verhörmethoden, Ma’am?«
»Sie wissen so gut wie ich, dass die Armee sich an die Genfer Konvention hält.«
»Gewiss, Ma’am.« Dennoch lehnte sie sich noch weiter zurück und mied nun den direkten Blickkontakt. Puller beschloss, den Vorteil auszunutzen. »War Reynolds ein guter Soldat?«
»Ja. Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
»Und gute Soldaten beachten die Befehlshierarchie?«
»Ja.«
»Wenn ich Ihnen erkläre, dass Reynolds eine Person in eine besorgniserregende Angelegenheit eingeweiht hat, die nicht zum Kreis seiner Vorgesetzten zählte, erachten Sie es dann nicht auch als wahrscheinlich, dass er erst recht seine unmittelbare Vorgesetzte informiert? Also Sie? Sie haben einen Stern, wie Sie mir gegenüber so deutlich betont haben.«
Carson schlug die Beine übereinander und senkte leicht das Kinn. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.«
»Selbstverständlich wissen Sie es. Mir soll die Wahrheit vollauf genügen.«
»Für so eine Bemerkung kann ich Sie disziplinarisch zur Rechenschaft ziehen lassen.«
»Aber Sie werden es nicht tun.«
»Warum nicht? Wegen Ihres Vaters? Er ist seit Langem aus dem Dienst ausgeschieden, Puller. Lebende Legende oder nicht, mit ihm können Sie mich nicht unter Druck setzen.«
»Dahin gehen meine Überlegungen auch gar nicht.«
»O doch. Ihr Pokerface lässt viel zu wünschen übrig.«
»In Wirklichkeit«, erläuterte Puller, als hätte er sie nicht gehört, »denke ich an den Stern auf Ihrer Schulter.«
Carson schnitt eine noch abweisendere Miene. Sie machte den Eindruck, als könnte sie jeden Moment aufspringen und Puller attackieren. Doch ein erfahrener Vernehmungsspezialist wie Puller konnte sehr wohl erkennen, dass hinter der harten Fassade dieser Frau jetzt die erste Furcht keimte. »Wieso?«, fragte sie. »Spielen Sie mit dem Gedanken, mir den Stern wegnehmen zu lassen? Die Mühe können Sie sich sparen. Ich habe mich dafür hart abgerackert. Er ist voll und ganz verdient.«
»In Wahrheit denke ich mir, Ma’am, dass Ihre Schultern nicht nur für diesen, sondern wahrscheinlich auch für einen zweiten Stern breit genug sind.« Diese Taktik verblüffte Carson unübersehbar. Sie entfaltete die Arme und beugte sich vor. Ihr Blick fiel auf Pullers Notizbuch. Er verstand diese subtile Botschaft. »Alles würde so in meinen Bericht einfließen, als hätten wir uns schon bei unserem ersten Gespräch im Pentagon darüber unterhalten.«
»So viel Gespür hätte ich von Ihnen nicht erwartet, Puller.«
»Das gilt vermutlich für die meisten Menschen.«
Carson schaute zu Boden und
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