Zero Day
sagte er. »Was hat sie hier getan?«
»Das Haus ist Eigentum von Richard und Minnie Halverson. Sie sind Mrs. Reynolds’ Eltern. Mr. Halverson lebt in einem Seniorenheim. Seine Frau hat hier im Haus gewohnt, hat aber vor Kurzem einen Schlaganfall erlitten und wurde in einer Spezialklinik in der Nähe von Pikeville behandelt, anderthalb Stunden mit dem Auto von hier.«
»Von den Straßen hier habe ich auf der Herfahrt schon einen Eindruck gewonnen.«
»Anscheinend hat Mrs. Reynolds sich zeitweise hier aufgehalten und sich um Familienangelegenheiten gekümmert … die Pflegeversorgung ihres Vaters, die Einleitung des Hausverkaufs und die Einweisung ihrer Mutter, die nicht mehr allein leben kann, ins selbe Seniorenheim. Weil Sommer ist, haben die Kinder sie begleitet. Mr. Reynolds hat sie wohl an Wochenenden besucht.«
»Woher haben Sie diese Informationen?«
»Aus örtlichen Quellen. Seniorenheim und Klinik. Und vom Umhören. Wir haben auf dieser Straße mit einigen Nachbarn gesprochen.«
»Gute Arbeit«, äußerte Puller.
»Ich bin nicht da, um schlechte Arbeit zu leisten.«
»Ich weiß, und ich will Ihre Kompetenz auch gar nicht in Abrede stellen. Ich bin nur hier, weil eines der Opfer in einer Uniform steckt. Und mir wurde gesagt, Sie hätten keine Bedenken gegen eine einvernehmliche Zusammenarbeit bei der operativen Fallanalyse.«
»Mein Vorgesetzter hatte keine.«
»Und Sie?«
»Sagen wir mal so: Die Entscheidung steht noch aus.«
»Immerhin eine faire Antwort.«
»Reynolds war also beim Militärischen Geheimdienst?«
»Hat man Sie darüber nicht informiert, nachdem Sie die Fingerabdrücke gefaxt hatten?«
»Nein. Man hat mir nur seine Identität bestätigt. War er so was wie ein Spion? Kann er deshalb umgebracht worden sein?«
»Keine Ahnung. Er hat sich auf den Ruhestand vorbereitet. Vielleicht war er nur ein Bürohengst mit etwas Lametta, der sich danach sehnte, schleunigst in die Privatwirtschaft zu wechseln. Im Pentagon wimmelt es von solchen Leuten.«
Puller hatte beschlossen, Cole zu verschweigen, was Reynolds tatsächlich beim Militärischen Geheimdienst getan hatte. Sie war nicht zum Geheimniserhalt befugt, und er wollte ungern degradiert werden, weil er sich verplappert hatte.
»Dann hilft uns das alles nicht so richtig weiter«, sagte Cole.
Pullers Hang zur Ehrlichkeit brachte seinen Entschluss, eisern zu schweigen, ein wenig ins Wanken. »Vielleicht war er ja doch kein bloßer Büromensch.«
»Aber gerade haben Sie gesagt …«
»Vielleicht, habe ich gesagt. Sicher ist es nicht. Ich fange ja erst mit den Ermittlungen an. Vieles weiß ich noch nicht.«
»Na schön.«
Puller näherte sich den Leichen. »Sie haben sie so vorgefunden? Alle vier in einer Reihe?«
»Ja.«
»Die Todesursache der Erwachsenen ist offenkundig.« Puller zeigte auf die Jugendlichen. »Und wie steht es bei ihnen?«
Als Cole keine Antwort gab, drehte er sich um.
Cole hatte den King Cobra gezogen und zielte auf seinen Kopf.
11
»Habe ich was Falsches gesagt?«, fragte Puller ruhig. Er blickte Cole ins Gesicht, nicht in die Mündung des King Cobra. Wenn jemand eine Schusswaffe anlegte, schaute man ihm in die Augen, denn dort erkannte man seine Absicht. Und Cole hatte unmissverständlich vor, ihn zu erschießen, falls er wirklich etwas Falsches sagte oder tat.
»Ich muss aus Schlafmangel betriebsblind gewesen sein«, meinte sie.
»Da komme ich nicht mit.«
»Ich weiß nicht, ob Sie derjenige sind, als der Sie sich ausgeben. Schließlich habe ich nur Ihre Behauptung, dass Sie CID -Agent sind. Ich hätte Ihnen nie erlauben dürfen, den Tatort zu betreten. Möglicherweise haben Sie Larry Wellman ermordet und mir vorgelogen, Sie hätten im Wald jemanden bemerkt. Vielleicht sind Sie ein Spion, der stehlen will, was Reynolds’ Aktentasche und Laptop enthalten.«
»Mein Dienstwagen hat ein Armeekennzeichen.«
»Vielleicht ist es gar nicht Ihr Dienstwagen. Sie könnten ihn gestohlen haben.«
»Ich kann mich ausweisen.«
»Das wollte ich hören.« Cole gab ihm mit dem .45er einen knappen Wink. »Zeigen Sie mir den Wisch, aber ganz, ganz langsam.« Sie wich ein wenig zurück.
Puller bemerkte, dass sie die Weaver-Standardschussposition eingenommen hatte, benannt nach einem County-Polizeibeamten in Kalifornien, der Ende der 1950er-Jahre die Schießwettbewerbe aufgemischt hatte. Füße schulterbreit auseinander, Knie durchgedrückt. Fuß auf der Seite des Schussarms ein wenig hinter dem anderen Fuß
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