Zero Gravity
dem in den Tisch eingelassenen Terminal. »Ich seh’ mich mal um.«
Florescu richtete sich auf, um sich zu strecken, dann setzte er sich neben Tran, die ihm die Hand mit der Fläche nach oben entgegenstreckte.
»Was?«
»HWP.«
»Natürlich, Lance. Hier.« Er zog ein Döschen aus dem Utility-Gürtel und reichte es Tran. Die Frau entnahm dem Behälter eine grüne Tablette, bevor sie ihn wieder zurückgab; dann warf sie die Tablette in ihren Kaffee und rührte um.
Gantt rückte sich den letzten verbliebenen Stuhl zurecht und setzte sich ebenfalls.
»Aromatablette?«, fragte sie; Tran schüttelte den Kopf. »Hallo-Wach-Pille. Immerhin sind wir seit… uh…« »…
mindestens 36 Stunden auf den Beinen«, ergänzte der Lieutenant und rieb sich die Augen. »Kein Grund, die Nerven zu verlieren, aber unangenehm genug.«
»Alles an mir klebt«, seufzte Tran. »Können Sie sich vorstellen, wie das ist, so lange in einer schlecht klimatisierten Kunststoffbüchse eingesperrt zu sein?«
»Hm«, meinte Gantt unschlüssig, die sich auch am liebsten die durchschwitzten, übel riechenden Kleider vom Leib gerissen hätte. Nach einem Blick auf die konzentriert arbeitende Stellhorn zuckte sie dann die Achseln.
»Wissen Sie was, Lance Corporal, Ms. Stellhorn scheint im Augenblick auch ohne uns zurechtzukommen. Ich für meinen Teil werde jetzt einen kleinen Abstecher in die Laboratorien machen - dort gibt es nämlich eine Dusche, Seife, Ultraschall und eine Trockenkabine. Kommen Sie mit?«
System: Holloway Planet Holloway II
Forschungsinstallation Niamh Nagy, Modul 4
Das Licht war schwach und bläulich, aber es schmerzte trotzdem in den Augen, also beschloss Kit Lacroze, sie geschlossen zu halten. Dann erinnerte sie sich daran, wo sie sich befinden sollte, und schoss mit einem Ruck hoch.
Ihre linke Schädelhälfte schmerzte höllisch; als sie die Hand zum Kopf führte, stellte sie fest, dass sie ihren Helm nicht mehr trug. Wenigstens schien sie nicht zu bluten, denn als sie ihre Pfote zurückzog, war die trocken. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie an sich herab; eine zähe dunkle Flüssigkeit hatte sich über die Panzerung ihres Arms ergossen und blubberte nun am Boden. Der Geruch war nicht allzu übel, wenn man ihn mit dem eines herkömmlichen Abwasserkanals verglich.
Das schwache, bläuliche Licht kam aus einer vergitterten Lampe, die in die Wand gegenüber eingelassen war, und Kit ging auf, dass sie sich nicht mehr in dem Raum befand, in dem sie zuletzt gewesen war. Das eigentlich Erstaunliche war jedoch die Gestalt, die vor der vergitterten Lampe stand, einen Arm lässig in die Hüfte gestemmt.
Ihr Mund wurde schlagartig trocken.
Auf den ersten Blick hätte es sich um einen etwas übergroßen Gardeur handeln können, wäre da nicht die Vielzahl von Kabeln und Schläuchen gewesen, die aus seinem Hinterkopf entsprangen und an anderer Stelle wieder in nacktes Fleisch stachen. Auf dem teilrasierten Schädel und um die eingesunkenen Augen herum waren mit dickem Stift Schnittmuster aufgezeichnet worden; Beine, Unterleib und die waffenstarrenden Arme schienen vollständig aus Metall zu bestehen, Torso und Hals waren nur teilweise mit braunen Panzerplatten verkleidet, unter dem rechten Arm hing eine dreiläufige Maschinenkanone und an einer unbedeckten Stelle am Oberbauch schimmerte ein Metallkolben durch die offenbar erst kürzlich genähte Haut. Das Monster verströmte einen fiesen Geruch nach Tod und Kabelbrand, der ihr die Galle nach oben trieb.
»SIE IST WACH«, donnerte es mit metallisch hallender Stimme, deren Lautstärke sie zusammenzucken ließ. Dann machte der halbfertige Blechmann mit surrenden Servos einen Schritt in ihre Richtung.
Ein Blitz schoss durch Kits Leib; automatisch sprang sie auf, um aus seiner Reichweite zu gelangen, drehte sich um…
… und kollidierte mit einer anderen gepanzerten Gestalt, die aus dem Halbdunkel trat.
Kits Augen weiteten sich. Hätte sich ihre Blase nicht schon beim Kampf gegen den ersten Blechmann entleert, hätte sie in diesem Augenblick ganz bestimmt in die Hose gemacht. Sie schrie laut auf und schlug automatisch zu; ihre Faust krachte gegen den gepanzerten Kopf des zweiten Gegners, der zur Seite taumelte. Erst als er beide Arme hob und signalisierte, dass seine Absicht eine friedliche gewesen war, erkannte sie, dass es Chick war, den sie geschlagen hatte - jetzt schon zum zweiten Mal. Das konnte zur Gewohnheit werden… »Hey«, rief Chick und öffnete sein Visier.
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