Zero Option: Thriller
auch, dass Sie der gesamten Welt einen Riesengefallen tun, wenn Sie Kasakov unter die Erde bringen.«
Überraschungen rangierten ganz oben auf der Liste der Dinge, die Victor nicht mochte, sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Bereich, aber dass er den Mann, den er erst kürzlich vor der Ermordung bewahrt hatte, jetzt ermorden sollte, das setzte dem Ganzen vermutlich in jeder Hinsicht die Krone auf. Irgendwie kam ihm dieser Auftrag wie ein Widerspruch zu seinen professionellen Grundsätzen vor. So etwas hatte er in seinen vielen Jahren als Profikiller noch nie erlebt.
»Sind Sie noch dran?«, ließ sich der Einsatz-Koordinator vernehmen.
Victor blieb stumm.
»Sie wollen wissen, wieso wir Sie vor fünf Wochen losgeschickt haben, um Kasakov das Leben zu retten, nur damit Sie ihn jetzt umbringen sollen«, sagte der Einsatz-Koordinator, als könnte er Victors Gedanken lesen. Als Victor immer noch nicht reagierte, fuhr er fort: »Ich kann das verstehen. Das würde ich an Ihrer Stelle auch wissen wollen. Die Umstände haben sich geändert. Es ist kompliziert. Nichts, was Sie bis in jede Einzelheit zu wissen brauchen, aber kurz gesagt: Damals brauchten wir Kasakov lebend, aber jetzt brauchen wir ihn tot. Ich gehe davon aus, dass Sie keine Schwierigkeiten damit haben.«
Sollte er zumindest nicht. Hatte er aber trotzdem. Es war ein Auftrag wie jeder andere in seiner langen Karriere, zu viele, um sie alle zu zählen. Und doch hätte er sich, wenn er es versucht hätte, an jedes Gesicht, an jeden Namen erinnern können, das wusste er. Diese Zielperson war nicht einmal ein besonders wunderbarer Mensch, dessen Tod selbst für jemanden wie Victor nur schwer verdaulich gewesen wäre. Vladimir Kasakov war einer von denen, die Krieg und Völkermord überhaupt erst möglich machten. So jemanden zu töten hätte wirklich kein Problem sein dürfen.
Aber er hatte mit ihm geredet, hatte eine persönliche Begegnung mit seiner Zielperson gehabt, wie kurz sie auch immer gewesen sein mochte. Victor hatte Kasakov in die Augen geschaut, und zwar lange, bevor er mit seiner Ermordung beauftragt worden war. Mehr als das: Er hatte diesem Mann das Leben gerettet. Das durfte eigentlich keine Rolle spielen. Tat es aber doch.
»Und?«, ließ sich der Einsatz-Koordinator vernehmen. »Haben Sie damit Probleme?«
»Nein«, erwiderte Victor mit Bedacht.
»Gut.«
»Aber ich habe ein Problem damit, dass Kasakov und seine Leibwächter mich gesehen haben. Ich bin direkt an ihnen vorbeigegangen, und sie haben mich registriert. Sie haben gewusst, dass geschossen wurde, und haben jeden genau unter die Lupe genommen. Hätte ich gewusst, dass Kasakov irgendwann einmal zur Zielperson werden könnte, dann hätte ich das nicht zugelassen. Jetzt kann ich es nicht riskieren, in Kasakovs Nähe zu kommen, weil ich möglicherweise erkannt werde. Dadurch habe ich weniger Optionen. Und je weniger Optionen ich habe, desto schwieriger und gefährlicher wird meine Arbeit.«
»Aha, ich verstehe«, erwiderte der Einsatz-Koordinator. »Das tut mir leid.«
»Das reicht mir nicht.«
»Hören Sie mal zu, mein Freund, das mit uns beiden ist keine Partnerschaft. Ich bin Ihr Boss. Sie sind mein Mitarbeiter. Wenn ich sage, es tut mir leid, dann sollten Sie sich außerordentlich geehrt fühlen, verdammte Scheiße noch mal.«
»Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass Sie in meiner Gegenwart nicht fluchen sollen.«
»Mein Fehler. Aber Sie brauchen nicht zu glauben, dass mich Ihre sprachliche Prüderie auch nur im Entferntesten interessiert. Ich habe mich für die Kasakov-Geschichte entschuldigt, und Sie sollten diese Entschuldigung annehmen und mit Ihrer Arbeit weitermachen. Es gibt da eine Zielperson, mit der Sie sich vertraut machen müssen, also fangen Sie an damit.«
»Es wäre schön, wenn das Dossier dieses Mal vollständig wäre und nicht nur das enthält, was ich Ihrer Meinung nach wissen muss, sondern wirklich alles , was ich wissen muss. Falls das nicht so sein sollte oder falls es noch mehr Überraschungen von dieser Sorte gibt, dann wäre ich alles andere als glücklich.«
Die Stimme des Einsatz-Koordinators wurde etliche Dezibel leiser. »Mit Drohungen kann ich gar nicht gut umgehen.«
»Ich drohe nicht. Ich stelle lediglich fest. Wie Sie damit umgehen können, geht mich nichts an.«
Einige Sekunden lang waren nur schwere Atemzüge zu hören. Victor wartete, bis der Einsatz-Koordinator das Wort ergriff.
»Am besten, wir beruhigen uns wieder. Alle
Weitere Kostenlose Bücher