Zero Option: Thriller
endlich vertrauen?«
»Wir sollten wirklich nichts überstürzen.«
Noch eine Pause, vielleicht ein erneutes Lächeln, dann sagte Procter: »Ich melde mich, wenn ich Sie wieder brauche.«
»Wann wird das sein?«
»Ich weiß nicht. Könnte eine Weile dauern.«
»Ist mir recht«, entgegnete Victor. »Die letzten zwei Monate waren sehr lang.«
»Für uns beide.« Procter machte eine kurze Pause. »Passen Sie auf sich auf.«
Dann war die Leitung tot. Victor öffnete einen Internet-Browser und fragte seine anderen E-Mail-Accounts ab. Wieder eine Nachricht von Alonso und zwei von anderen Maklern. Allesamt Aufträge mit viel Honorar und wenig Risiko. Einfach auszuführen, ohne dass Procter davon erfahren würde.
Victor löschte die E-Mails und löschte die Konten.
Zum ersten Mal nach langer Zeit fühlte er sich wirklich entspannt. Er griff zum Telefon und wählte eine Nummer.
Adrianna meldete sich mit einem fröhlichen »’allo«.
»Hier ist Emmanuel«, sagte Victor. »Hättest du Lust, einen Tag in Sofia zu verbringen?«
Kapitel 60
Victor und Adrianna trafen sich im Foyer des Grand Hotel Sofia. Das mächtige Gebäude besaß eine Fassade aus Marmor, Granit und Glas und lag im Herzen der Stadt, mit Blick über den Stadtpark. Nach ihrer Zusage hatte er die Unterkunft gewechselt. Das eher bescheidene Hotel, für das er sich zuvor entschieden hatte, hätte Adrianna nicht gefallen. Sie trug ein langes, fließendes Kleid, das ihren Körper zu umschweben schien, und zog einen kleinen Rollkoffer hinter sich her. Das lockige braune Haar fiel offen über ihre Schultern, und sie hatte eine Sonnenbrille auf die Stirn geschoben.
»Du siehst so anders aus«, sagte sie, als Victor auf sie zutrat. »So braun und mit längeren Haaren. Das gefällt mir. Sehr sexy.«
Sie wischte sich eine Locke aus dem Gesicht, als wollte sie das Gesagte unterstreichen, dann umarmten und küssten sie sich. Victor achtete darauf, sich rechtzeitig wieder von ihr zu lösen, noch bevor ihre Hände über seinen Rücken streichen und die FN Five-seveN entdecken konnten, die hinten in seinem Hosenbund steckte.
»Du hast ein bisschen abgenommen«, sagte er.
Sie strahlte: »Du hast es gemerkt.«
Hatte er nicht. »Wie war dein Flug?«
»Das reinste Vergnügen.« Sie holte einen Reiseführer aus ihrer Handtasche. »Ich weiß jetzt alles über Sofia.«
Sie brachten ihren Koffer in Victors Zimmer und machten sich ein wenig frisch, dann gingen sie los, um Sofia zu erkunden. Die Kunstgalerie lag in unmittelbarer Nähe, also fingen sie dort an, sprachen über die verschiedenen Objekte und diskutierten ihre jeweiligen Vorlieben. Anschließend fuhren sie mit den gelben Straßenbahnen durch die Stadt und suchten etliche der zahlreichen alten orthodoxen Kirchen auf. Den Höhepunkt bildete die beeindruckende Alexander-Nevsky-Kathedrale mit ihrer fünfundvierzig Meter hohen, vergoldeten Kuppel.
Abgesehen von etlichen hässlichen Wohnblocks aus der kommunistischen Ära war Sofia eine typisch europäische, wunderschöne Stadt. Victor gefiel die bunte Mischung der verschiedenen Architekturstile – west- und mitteleuropäisch, klassizistisch und stalinistisch, römisch und byzantinisch. Der ständige Wechsel verlieh jeder der mit Bäumen gesäumten Straßen eine eigene Identität, ein unverwechselbares Gepräge. Die Straßen im Stadtzentrum schienen fast durchgehend aus gelben Pflastersteinen zu bestehen.
»Aus Wien«, beeilte Adrianna sich zu sagen.
Im Gegensatz zu Adrianna war Victor schon etliche Male in Sofia gewesen. Bei jedem Besuch hatte er die Bulgaren als ausgesprochen freundlich und herzlich empfunden. Das war dieses Mal nicht anders. Das Klima gefiel ihm auch, warm, aber nicht zu heiß. Heute hatte es vielleicht zwanzig Grad.
In einem der vielen Straßencafés nahmen sie ein spätes Mittagessen zu sich, genossen den Sonnenschein und das hektische Geplapper der Bulgaren um sie herum. Victor beherrschte die Sprache zumindest halbwegs und brachte Adrianna den einen oder anderen Satz bei. Gemeinsam versuchten sie, dem Stakkato der Gespräche zu folgen, mussten jedoch jedes Mal schnell aufgeben und dachten sich dafür irgendwelche Übersetzungen aus.
»Er gibt ihr gerade den Laufpass«, meinte Adrianna, während sie verstohlen ein bulgarisches Paar im mittleren Alter belauschten, »weil ihr Atem nach Schweißsocken riecht.«
Er lächelte. Aus reiner Gewohnheit suchte er in der Menschenmenge nach möglichen Beschattern, die Augen hinter der
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