Zero Option: Thriller
großes Glas Chivas Regal ein, eine seiner bevorzugten Marken. Ein Verschnitt zwar, aber besser als fast jeder andere Scotch. Victor fand, dass Single Malts in der Regel überbewertet wurden.
Sie lachte.
»Was?«, wollte er wissen.
»Ich weiß, dass du mich vermisst hast.«
»Wieso denn das?«
Sie zeigte ihm eine cremefarbene Seidenbluse und warf ihm ein spitzbübisches Lächeln zu. »Sie ist zerrissen.«
»Ohne siehst du besser aus.«
Sie zog eine Grimasse und sagte: »Hmmm.« Dann schlüpfte sie hinein und knöpfte sie so weit zu, wie es noch möglich war. Schnaufend steckte sie die Finger durch die Löcher, um Victor zu zeigen, dass die oberen drei Knöpfe fehlten.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich kann sie suchen und für dich aufbewahren.«
»Wirf sie weg, ich nähe nicht.«
»Kannst du nicht oder willst du nicht?«
»Beides.«
»Okay, ich kauf dir eine neue.«
»Die ist aus dem letzten Jahr«, meinte sie schmollend. »So eine bekommst du sowieso nicht wieder.«
Er setzte sich etwas aufrechter. »Dann werde ich dir wohl zwei neue aus diesem Jahr kaufen müssen, hab ich recht?«
Sie grinste.
»Was hast du noch vor? Wie wär’s, wenn du erst später zurückfliegst, und wir gehen noch zusammen essen?«
Sie zog den Reißverschluss ihres Rocks hoch und stopfte die Bluse in den Bund. »Wahnsinnig gern, aber ich kann nicht. Muss mich um die Geschäfte kümmern.«
»Du arbeitest zu viel.«
»Die Rechnungen wollen schließlich bezahlt werden.« Sie setzte sich ans Fußende des Bettes und wippte ein wenig auf und ab, so gut es die Matratze eben zuließ. »Das ist hart wie Beton. Du solltest dich beschweren.«
»Ich find’s gut.«
»Es wundert mich, dass du da überhaupt schlafen kannst.« Sie schlüpfte in ihre Schuhe, verharrte für einen Augenblick und sagte dann mit sanfter Stimme: »Ist dir eigentlich klar, dass wir uns seit über einem halben Jahr nicht mehr gesehen haben?« Sie unterbrach sich kurz. »Ich hatte schon Angst, du würdest nie wieder anrufen.«
Er schaute sie nicht an. »Ich hatte zu tun.«
Sie hielt den Blick auf ihn gerichtet. »Arbeit?« Als er nickte, fuhr sie fort: »Du arbeitest zu viel.«
»Die Rechnungen wollen schließlich bezahlt werden.«
Sie lächelte. »Ich frage mich immer wieder, was du eigentlich machst.«
»Kein Wort über die Arbeit, weißt du noch?«
Adrianna hob abwehrend die Hände. »Ich weiß, Emmanuel, ich weiß. Aber du machst mich eben neugierig. Gelegentlich stelle ich mir vor, dass du ein Geheimagent bist oder so was.«
»Du hältst mich für einen Spion?«
Sie lächelte verlegen. »Lächerlich, nicht wahr? Ich nehme an, das liegt an deinen Narben.«
»Ich war in der Armee«, sagte er, ohne sie anzusehen.
»Ich weiß. Wie gesagt, das ist bloß eine Fantasie. Ich wette, du machst in Wirklichkeit etwas Stinklangweiliges, bei einer Bank oder an der Börse.« Sie lächelte. »Jetzt weiß ich’s: Du bist Buchhalter, hab ich recht?«
»Um ehrlich zu sein«, sagte er mit erhobener Augenbraue, »ich bin ein Auftragskiller.«
Sie prustete los vor Lachen. »Du kannst so witzig sein, wenn du nur willst.«
»Nein, ich meine es ernst«, erwiderte er und klang dabei alles andere als ernst. »Gerade erst habe ich einen Gangster in die Luft gejagt, mit einer Bombe, die in seiner Toilette versteckt war.«
Adrianna lachte noch lauter. Sie griff sich mit der Hand an die Brust. »Bitte hör auf, sofort. Du bringst mich noch um.«
»Nur, wenn du mir dafür einen Batzen Geld gibst.«
Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf, und Adriannas Lachen ebbte langsam ab, wurde zu einem Lächeln, während sie sich wieder in den Griff bekam.
Sie musterte ihn gründlich und sagte: »Du hast ein bisschen zugenommen. An Muskeln, meine ich.«
Er nickte. Eigentlich war ihm Wendigkeit immer wichtiger gewesen als Kraft, aber eine ausgesprochen schmerzhafte Erfahrung in jüngster Vergangenheit hatte ihn von der Nützlichkeit der einen oder anderen Kraftreserve überzeugt.
»Ich habe auch zugenommen.« Sie kniff sich in die Bauchfalte und knurrte. »Ist aber alles Speck.«
»Ach was, mach dich nicht verrückt. Du siehst toll aus, sogar besser als toll.«
»Du bist ein Lügner, Emmanuel.«
»Warum sagst du das eigentlich jedes Mal?«
»Weil ich dich kenne.« Sie ließ die Hand zu seinem ausgestreckten Bein gleiten und streichelte ihm die Wade. Leise sagte sie: »Dieses Mal warst du anders als sonst.«
»Wie meinst du das?«
Sie seufzte, zuckte die Achseln. »Nicht
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