Zero Option: Thriller
anderen wenden. Es gab Dutzende, wenn nicht Hunderte von Männern wie ihn überall auf der Welt. Victor war genügend von ihnen begegnet, um zu wissen, dass er alles andere als einzigartig war. Aber die Tatsache, dass er alle diese Begegnungen überlebt hatte, zeigte ihm, dass er zu den Besten innerhalb seiner rar gesäten Spezies gehörte.
Vor einem Monat noch hätte er diese Nachricht auf der Grundlage seines exklusiven Engagements gelöscht, ohne darauf zu reagieren. Doch das letzte Gespräch mit seinem Einsatz-Koordinator hatte einiges verändert. Er musste sich verschiedene Möglichkeiten offenhalten. Victor formulierte eine Antwort an Alonso und schrieb, dass er sich aufrichtig freute, von ihm gehört zu haben, und gerne mehr über seine Reisepläne erfahren würde. Er klickte auf »Senden«.
Dann loggte er sich aus und blieb einen Augenblick lang sitzen, ruhig, aber nicht vollkommen entspannt. Wenn seine Auftraggeber irgendwelche Spielchen spielen wollten, dann bitte schön. Das konnte er auch.
Nur, dass er nicht fair spielen würde.
Kapitel 16
Hundert Kilometer südwestlich von Minsk, Weißrussland
Es war kalt auf dem Rücksitz. Saul Callo hatte die Schultern hochgezogen und die Arme eng um die Brust geschlungen, die Hände unter den Achselhöhlen versteckt. Schuld daran war Blout, der beim Fahren Selbstgedrehte rauchte und das Fenster heruntergelassen hatte, damit der Rauch nach draußen wehte. Callo saß genau im Luftzug. Seine Entführer hatten ihm zwar einen Mantel gegeben, aber der gewährte eben auch nur einen begrenzten Schutz gegen die Kälte. Abbot und Blout mit ihrer Football-Profi-Statur schienen keine Probleme mit dem offenen Fenster und der kalten Luft zu haben.
Draußen vor dem Fenster sauste eine grüne Landschaft ohne nennenswerte Erhebungen vorbei. Leer gefegte Felder, kaum Anzeichen für Besiedelung, irgendwie wirkte das alles tot. Lange Zeit wusste Callo nicht einmal, in welchem Land er sich befand, bis er schließlich die ersten Hinweisschilder nach Minsk bemerkte. Sie waren zweisprachig beschriftet, auf Weißrussisch, aber auch auf Russisch, das Callo dank seines beruflichen Engagements zumindest bruchstückhaft verstehen konnte.
Zu Beginn ihrer Reise hatte er ein paar Stunden auf der Rückbank verbracht, bis Abbot ihn irgendwann in den Kofferraum beordert hatte. Dann hielt Blout ihn fest, während Abbot ihm Klebeband um die Hände, die Füße und schließlich auch auf den Mund klebte. Er verriet zwar nicht, worum es ging, machte Callo aber unmissverständlich klar, dass er sich mucksmäuschenstill verhalten sollte. Anderenfalls würde er, Abbot, sich einen eigenen Eierkocher basteln und Callo darauf weichkochen. Anschließend hatte Callo zwanzig Minuten lang Abgase eingeatmet, bevor sie ihn wieder freigelassen und ungefesselt auf die Rückbank gesetzt hatten. Eine Erklärung hatten sie ihm nicht gegeben, aber das war gar nicht nötig gewesen.
Callo war klar, dass sie eine Grenze überquert hatten. Seit seiner Entführung in Athen hatte er nicht mehr gewusst, wo er war. Er war mindestens zweimal geflogen und hatte unzählige Stunden in Kofferräumen irgendwelcher Autos zugebracht. Dem Wetter nach zu urteilen, war er irgendwo in Osteuropa verhört worden. Jetzt fuhren sie nach Minsk, also mussten sie zuvor in einem Nachbarland von Weißrussland gewesen sein, höchstwahrscheinlich in Polen.
Seine innere Uhr war vollkommen durcheinander, und er hatte keine Ahnung, wie lange er sich schon in den Händen seiner Entführer befand. Er erhaschte einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett und wusste jetzt zumindest, wie spät es war.
»Warum fahren wir nach Minsk?«, wollte er von Abbot wissen, als er die Stille und die Ungewissheit nicht mehr länger ertragen konnte.
Abbot hatte den Ellbogen auf den Fensterrand gelegt und starrte hinaus in die weißrussische Landschaft. »Yamout hat dir eine SMS geschickt. Er will sich dort mit dir treffen.«
»Aber ich habe das Geld doch gar nicht.«
»Das wirst du auch nicht brauchen«, versicherte ihm Abbot.
Callo versuchte, das Gespräch fortzusetzen, aber Abbot reagierte nicht mehr. Blout redete sowieso nicht mit Callo. Das Schweigen war ausgesprochen unangenehm, und Callos Fantasie hatte viel zu viel Raum und Zeit, um auf Touren zu kommen. Er hatte schreckliche Angst davor, irgendwo hingebracht zu werden, wo es noch furchtbarer war als dort, wo seine Eier zwei Stunden lang an einem Stromgenerator gehangen hatten. Obwohl … etwas Schlimmeres
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