Zero Option: Thriller
Kopf auf 20 Uhr. Danach absolvierte er sein Trainingsprogramm und badete, wobei er unentwegt an den bevorstehenden Auftrag dachte. Was hatte man ihm nicht gesagt? Und würde genau das Ungesagte unter Umständen zu seinem Tod führen? Als Auftragskiller war man automatisch so etwas wie ein Verschleißteil, jederzeit ersetzbar, aber das hieß noch lange nicht, dass Victor das einfach so hinnehmen musste.
Noch ein Waffenhändler. Ein verräterisches Detail, auf das sein Auftraggeber nicht näher eingegangen war. Auch seine letzte Zielperson war in dieser Branche tätig gewesen, und sein erstes Opfer, ein Auftragskiller, hatte sterben müssen, um das Leben eines weiteren Waffenschiebers zu retten, Vladimir Kasakov. Drei Mordaufträge, drei bedeutende Figuren des internationalen Waffengeschäfts. Zwei sollten sterben, einer sollte leben. Was steckte dahinter?
Victor schob alle Spekulationen beiseite. Er musste das nicht verstehen. Er war bloß der Mann am Abzug. Jahrelang hatte er alles in seiner Macht Stehende getan, um nicht zu wissen, warum die Menschen, die er tötete, den Tod verdient hatten. Aber dieses Mal war es anders. Dieses Mal wollte er es wissen. Er wollte verstehen. Und sagte sich, dass das wichtig war, zu seinem eigenen Schutz. Weil die Unwissenheit ihn vor ungefähr einem halben Jahr beinahe das Leben gekostet hätte.
Aber das war nur die halbe Wahrheit. Es steckte noch mehr dahinter, auch wenn er selbst nicht genau wusste, was. Er misstraute seinem Auftraggeber. Jeder Auftrag war gleichzeitig auch eine potenzielle Falle. Genauso gut war es möglich, dass diese Serie an viel zu überhasteten Aufträgen letztendlich dazu führte, dass er irgendwann in eine Situation kam, aus der er sich nicht mehr befreien konnte. Wäre dieser aktuelle Auftrag von einem privaten Klienten gekommen, dann hätte er ihn gar nicht mehr angenommen, sondern die Kommunikation für immer abgebrochen. Aber das war in diesem Fall keine Option. Private Klienten besaßen nicht genügend Macht, um ihn an die Polizei oder Geheimdienstorganisationen überall auf der Welt auszuliefern, sie hatten keinen Zugriff auf Satellitenbilder oder biometrische Gesichtserkennungsprogramme und konnten auch nicht auf Tausende Agenten und andere Mitarbeiter zurückgreifen.
Und wenn es irgendwann vorüber war, würde der Auftraggeber seinen Teil der Abmachung einhalten? Würde er Victor gestatten, sich aus der Abhängigkeit von der CIA zu verabschieden, sobald der letzte Mord ausgeführt war? Womöglich beinhaltete sein finaler Auftrag auch eine Abfindung, direkt in die Schläfe. Aber er hatte gar keine andere Wahl, als bis zum Ende durchzuhalten. Wenn er sich jetzt aus dem Staub machte, dann würden sie ihn suchen, und im Gegensatz zu allen anderen, die das schon versucht hatten, wussten sie genug über ihn, um ihn tatsächlich zu finden.
Victor seufzte. Er war im Moment nicht in der Position, seinem CIA-Auftraggeber davonzulaufen, aber es wurde langsam Zeit, über die Schritte nachzudenken, die er unternehmen musste, sobald es so weit war und er weiter am Leben bleiben wollte. Das Erste und Wichtigste war eine neue Identität. Eine saubere Identität, eine, die er noch nie zuvor benutzt hatte. Er wusste nicht, wie viele seiner alten Tarnexistenzen bereits verbrannt waren. Im Augenblick konnte er sich nicht darum kümmern, aber er nahm sich vor, die nächste sich bietende Gelegenheit zu nutzen.
Er beugte sich vor und gab eine neue Adresse in das Browserfenster ein, gelangte zu einem weiteren E-Mail-Account. Zwischen den Hunderten von Angeboten – zum Beispiel preiswerte Medikamente gegen Erektionsstörungen oder die einmalige Gelegenheit, ein Vermögen zu machen, wenn er seine sämtlichen persönlichen Daten einem freundlichen Herrn aus Nigeria überließ, oder Tabletten zur Penisvergrößerung – befand sich eine einzige Nachricht, von Interesse. Er öffnete sie. Es war eine kurze Nachricht, und sie begann mit Mein Freund . Absender war ein gewisser Alonso, der ihm mitteilte, dass er einen wunderbaren Aufenthalt in Hongkong gehabt, aber leider sehr viel Geld ausgegeben hatte. Er war auf dem Weg nach Europa, würde aber nicht lange bleiben. Die E-Mail schloss mit den Worten: Wie geht es Dir?
Victor überlegte. Für beide Aufträge, sowohl den in Hongkong, der sehr gut bezahlt wurde, als auch den in Europa, der sehr zügig erledigt werden musste, war er der erste Ansprechpartner, aber wenn er nicht reagierte, dann würden sie sich an jemand
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