Zero Option: Thriller
kurz nach halb elf. In der Nähe der Eingangstür zur Suite stand ein Rollwagen mit Putzutensilien. Staubsaugergeräusche waren zu hören. Er wusste nicht, wie lange das Zimmermädchen brauchen würde, aber er wollte in der Nähe bleiben, bis sie fertig war. Zehn Minuten später kam sie aus der Suite und schob den Rollwagen weiter. Victor wartete, bis sie weg war, dann loggte er sich mit seinem Smartphone und dem Passwort, das er von seinem Arbeitgeber bekommen hatte, im Intranet des Hotels ein und schaute sich die Gästeliste an. Er wollte während seiner Besichtigung der Präsidentensuite nicht überraschend Gesellschaft von Petrenko und dessen Männern bekommen. Unwahrscheinlich zwar, da man offiziell erst in eineinhalb Stunden einchecken konnte, aber womöglich bekam Petrenko als Stammgast und lokale Gangstergröße ja eine Sonderbehandlung. In der Gästeliste war nichts dergleichen vermerkt, aber Victor blieb regungslos stehen.
Ein Fahrstuhl kam im sechsten Stock an, und die Türen glitten auf. Ein kräftig gebauter Mann trat heraus. Er war ungefähr eins achtzig groß, Mitte zwanzig, hatte kurz geschnittene rote Haare und trug Jeans, Turnschuhe und ein Sportsakko. Seine schlanke Figur war die eines gestählten Kämpfers, und während er auf die Präsidentensuite zuschlenderte, durchbohrte er Victor mit genau dem Blick, mit dem knallharte Typen überall auf der Welt ihre Mitmenschen durchbohrten. Das war definitiv kein Hotelangestellter, und obwohl Victor keine Ahnung hatte, wie Petrenko aussah, war dieser Kerl es höchstwahrscheinlich nicht. Zu jung und zu offensichtlich bescheuert.
Victor wartete nicht, bis der Knallharte die Suite betrat, sondern ging über die Treppe ein Stockwerk tiefer und stellte sich an eine Stelle, von wo er das darüberliegende Stockwerk beobachten konnte. Jetzt schwebte der zweite gläserne Fahrstuhl nach oben. Zunächst waren keine Einzelheiten zu erkennen, aber er sah zumindest zwei oder drei Personen darin stehen. Als der Fahrstuhl auf seiner Höhe war, spiegelte das Glas nicht mehr, und er sah, dass es sich um drei Männer handelte – noch einmal zwei Knallharte in Jeans und sportlicher Kleidung und ein älterer, besser gekleideter Mann, dessen ganze Haltung ihn unmissverständlich als Anführer kenntlich machte. Sie verließen den Fahrstuhl und gingen auf die Präsidentensuite zu.
Petrenko durfte also früher einchecken. Vielleicht hatte er mit dem Hotel eine entsprechende Vereinbarung getroffen oder einfach nur der Dame am Empfang ein wenig Bargeld zugesteckt. Victor ging über die Treppe hinunter ins Foyer, setzte sich in die Bar und wartete.
Der Mann mit der braunen Lederjacke saß immer noch da und tat immer noch so, als lese er Zeitung.
Erst nachdem eine Stunde vergangen war, erhielt Victor die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte. Der Mann, den er für Petrenko hielt, kam zusammen mit dem jungen Knallharten und den beiden anderen Sportlichen aus einem Fahrstuhl. Sie durchquerten das Foyer und verließen das Hotel durch den Haupteingang. Woraufhin der Beobachter in der braunen Jacke sich aus seinem Sessel erhob, seine Zeitung auf die Sitzfläche fallen ließ und ihnen nachging.
Wenn die drei Männer, die Victor gerade gesehen hatte, Petrenkos gesamtes Gefolge waren, dann war die Suite jetzt leer. Möglich, dass ein weiterer Mann hinzugekommen war, solange Victor in der Bar gesessen hatte, aber es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Er wartete noch ein paar Minuten ab, dann fuhr er mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock, um die letzten beiden Stockwerke zu Fuß zu gehen. Höflich klopfte er an die Tür der Präsidentensuite und setzte ein gleichermaßen höfliches Lächeln auf. Ob jemand reagierte oder nicht, würde auch etwas über die Präzision seiner Informationen aussagen.
Er musste ein zweites Mal anklopfen und noch etwas warten, aber dann wurde die Tür geöffnet. Ein Punkt für die CIA und keine Chance mehr für Victor, ein wenig Zeit alleine in der Suite zu verbringen. Jetzt sah er sich einem weiteren Schlägertypen in T-Shirt und Jeanshose gegenüber. Das T-Shirt war mit dem feurigen Logo einer deutschen Rockband verziert.
»Ja?«
Der Mann sprach Russisch. Hätte er ihn auf Weißrussisch angesprochen, hätte Victor Mühe gehabt, seine Rolle weiterzuspielen, da er die Sprache nicht beherrschte, aber im Alltag bedienten sich auch die meisten Weißrussen normalerweise der russischen Sprache.
»Hotel-Management«, sagte Victor. »Ich möchte nur
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