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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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Markenartikel, von den Unterhosen bis zu den Koffern, sie genießen politische Protektion, entscheiden über die Postenvergabe im öffentlichen Dienst und feiern rauschende Partys, ohne dass die Polizei eingreift. Die Gruppen sind immer besser organisiert: Jeder Clan verfügt über eine gemeinsame Kasse ( obschtschak ), in die ein bestimmter Prozentsatz der Erträge aus den Erpressungen und Raubüberfällen fließen. Mit diesem Geld werden die wory unterstützt, die im Knast landen, oder Politiker und Polizisten bestochen. Soldaten, Heerscharen von Anwälten und versierte Broker stehen in ihren Diensten.
    In kommunistischer Zeit arbeiteten die wory Hand in Hand mit der Elite der Sowjetunion und machten ihren Einfluss bis in den letzten Winkel des Staatsapparats hinein geltend. In der Breschnew-Ära nutzten sie die Stagnation der kommunistischen Wirtschaft und schufen einen gigantischen Schwarzmarkt. Dem, der es sich leisten konnte, wurde jeder Wunsch erfüllt. Die Direktoren von Restaurants und Geschäften, die Leiter von Staatsbetrieben, Regierungsbeamte und Politiker, alle machten Geschäfte. Ob Lebensmittel oder Medikamente, auf dem Schwarzmarkt wurden alle Waren gehandelt. Die wory beschafften, was dem Volk im Namen des Sozialismus versagt war, und belieferten die Parteiführung mit den Produkten des »schmutzigen Kapitalismus«. Damit schmiedeten sie ein Bündnis zwischen Nomenklatura und Kriminalität, das weitreichende Folgen haben sollte.
    Das Ende des Kommunismus hinterließ ein wirtschaftliches, moralisches und soziales Vakuum, das die Mafija sofort zu füllen bereit war. Generationen von Menschen ohne Arbeit und ohne Geld, oft Hungerleider im wörtlichen Sinn: Die russischen Organisationen konnten Hundertschaften von Anhängern rekrutieren. Polizisten, Soldaten, Veteranen des Afghanistankriegs boten sich vorbehaltlos an. Ehemalige KGB-Mitarbeiter und Regierungsfunktionäre stellten ihre Bankkonten und ihre Kontakte in den Dienst des organisierten Verbrechens, auch des Drogen- und Waffenhandels. Der Übergang zum Kapitalismus erfolgte ohne adäquate Gesetze und Infrastrukturen. Die Bruderschaften hingegen verfügten über Geld, über eine raubtierhafte Wendigkeit und über Mittel zur Einschüchterung.
    Wer konnte sich ihnen entgegenstellen? Die »neuen Russen«, die sich mit der Öffnung der Märkte in einem schwindelerregenden Tempo bereicherten, fanden es angemessen, eine »Gebühr« zu zahlen, die ihren Unternehmen Schutz vor anderen Gruppen und bei Bedarf Unterstützung garantierte, um Probleme mit Schuldnern oder Konkurrenten zu lösen. Die kleinen Fische konnten nur noch den Kopf einziehen. Unter den Erpressern gab es welche, die mit einer Schere und einem abgeschnittenen Finger in der Tasche herumliefen: »Wenn du nicht zahlst, mach ich das bei dir auch.« Im Westen nahm man zwar das eine oder andere Echo der brutalen Gewalt zur Kenntnis, ansonsten war man abgelenkt oder gab sich Illusionen hin. Selbst die Zuwendungen der USA und der europäischen Länder zur Förderung der postsowjetischen Zivilgesellschaft halfen indirekt der Mafija. Die Gelder waren vor allem für Nichtregierungsorganisationen bestimmt. Sie sollten keinesfalls in den Taschen der ehemaligen Kommunisten landen und das alte Regime und die Staatsbürokratie stärken. Doch sie wurden vielfach von kriminellen Gruppen abgefangen und erreichten damit nie ihr eigentliches Ziel.
    Mit dem Inkrafttreten neuer Gesetze im Kreditwesen schossen neue Banken wie Pilze aus dem Boden. Die Mafiosi brauchten gar nicht mehr die Leiter der alten Institute zu bestechen. Mit dem Geld, das reichlich vorhanden war, und ein paar Strohmännern konnten sie eigene Banken eröffnen und Freunde und Verwandte dort unterbringen, auch solche, die gerade erst aus dem Knast entlassen worden waren. Ein großangelegter Privatisierungsplan sollte allen Bürgern eine
    Beteiligung an den ehemaligen sowjetischen Staatsbetrieben sichern, von den Energieriesen bis zu den Moskauer Hotels.
    Der Wert der unters Volk gebrachten Anteilsscheine war gering für Leute, die bereits Geld und Macht hatten, aber riesig für diejenigen, die nicht wussten, wie sie über die Runden kommen sollten. Arme Leute verkauften ihre Aktien oft unter Wert an andere, die sie hamstern konnten, was der Elite der ehemaligen sowjetischen Manager und Bürokraten sowie den Mafiosi erneut in die Hände spielte. Die symbiotische Beziehung zwischen Mafija und Regierung funktionierte gut und lange. Schmiergelder

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