ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
abgereist, sondern auch Tausende Kriminelle, die der KGB gerne loswurde. Viele von ihnen gingen in die USA und bevölkerten Little Odessa, wo 1992 auch Iwankow eintraf. Und auch wenn sie andere Teile der Welt besiedelten, hielten sie an ihren guten Beziehungen untereinander fest und umspannten die Welt mit einem großen Netz, dem sich Don Semjon und der kleine Japaner nur noch einzugliedern brauchten, ohne die Kontakte mit den russischen Bruderschaften aufzugeben.
Mogilewitsch nimmt die israelische Staatsbürgerschaft an und knüpft Beziehungen zu den aufstrebenden russischen und israelischen Gruppen, die seine Begabung für den Umgang mit den komplexen internationalen Finanzmechanismen erkennen. Dank der Profite aus den illegalen Tätigkeiten - Drogen, Waffen und Prostitution - vergrößert sich sein Imperium. Es wächst aber auch dank der Reinvestition des schmutzigen Geldes in legale Aktivitäten wie Diskotheken, Kunstgalerien, Fabriken und Unternehmen verschiedenster Art, darunter eines internationalen koscheren Catering-Service. Einem FBI-Dokument zufolge besitzt er eine israelische Bank mit Filialen in Tel Aviv, in Moskau und auf Zypern, die Geldwäsche für kolumbianische und russische kriminelle Gruppen betreibt.
Das Gelobte Land wird Don Semjon allerdings bald zu klein. Schon ein Jahr später heiratet er die Ungarin Katalin Papp, legt sich neben dem ukrainischen, russischen und israelischen Pass auch noch einen ungarischen zu und übersiedelt nach Budapest. Offiziell tritt er als Getreidehändler auf, in Wirklichkeit gründet er eine kriminelle Organisation, die seinen Namen trägt. Etwa zweihundertfünfzig Mitglieder sind nach dem Muster der italienischen Mafia hierarchisch organisiert, viele davon seine Verwandten. Budapest erweist sich als sicheres Refugium, und gedeckt von korrupten Politikern und Polizisten, können die Geschäfte ohne größere Störungen gedeihen. Mogilewitsch weiß, dass Ruhe ihren Preis hat, einen Preis, der zuweilen nicht einmal in Form von Geld zu zahlen ist.
1995 suchen ihn zwei Oberste des Sicherheitsdienstes des russischen Präsidenten unter Decknamen in Ungarn auf. Aus
Gründen der Vorsicht ist lediglich ein israelischer Geschäftspartner Mogilewitschs dabei, um das zu liefern, was die beiden wollen: vertrauliche Informationen, die sich im russischen Wahlkampf verwenden lassen. Die Beschreibung des FBI sagt mehr als jedes Bild: »Mogilewitsch macht sich die Polizei gewogen, indem er Informationen über die Tätigkeiten anderer russischer krimineller Gruppen liefert und den Eindruck erweckt, ein guter Staatsbürger zu sein, der zur Mitarbeit bereit ist.«
Auch auf andere Weise gelingt es Don Semjon, sich Probleme vom Leib zu halten. Er nimmt nie persönlich an den Aktivitäten seiner Gruppe teil, er macht sich nie die Hände schmutzig und erschwert es damit der Polizei und der Justiz, ihn zu fassen zu kriegen. Außerdem bezahlt er ehemalige ungarische Polizisten, damit sie ihn über die polizeilichen Ermittlungen gegen ihn auf dem Laufenden halten. Dank seines unternehmerischen Geschicks, seiner finanztechnischen Kompetenzen und seiner äußerst begabten, technisch versierten Geschäftspartner wird Mogilewitsch zu einem der mächtigsten Bosse der internationalen Kriminalität. Er legt sich sogar eine private Armee zu, die vorwiegend aus Veteranen der militärischen Spezialeinheit Speznas und ehemaligen Afghanistan-Kämpfern besteht, die für ihre Brutalität bekannt sind. Für das Prostitutionsgeschäft nutzt er zur Tarnung eine Kette von Nachtclubs, die Black and White, die er in Zusammenarbeit mit der Solnzewskaja und der Uralmaschewskaja führt, einer weiteren großen kriminellen Gruppe in Russland. Bei einem strategischen Treffen mit den wichtigsten Organisatoren der russischen Prostitution im Atrium-Hotel in Budapest 1992 macht Mogilewitsch den Vorschlag, vier Millionen Dollar aus dem Geschäft mit der Prostitution in weitere Clubs Black and White in Osteuropa zu
investieren. Don Semjon wirbt Mädchen aus der ehemaligen Sowjetunion an, beschafft ihnen Scheinjobs und lässt sie in diesen Clubs arbeiten. Bodyguards garantieren ihren Schutz. Das Geschäft läuft. Die Mädchen sind sehr hübsch und bringen eine Menge Geld. In der gleichen Zeit nimmt Mogilewitsch mit den lateinamerikanischen Organisationen Kontakt auf. Seine Mädchen sind bestens dazu geeignet, Drogen unter die Leute zu bringen. Sie sind es, die die reichen Herren aus Ost und West umarmen, sie ziehen sie
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